Jakob
Dahl
aus Dormagen
10.01.1916
Dormagen
–
12.10.1968
Dormagen
Jakob Dahl lebte mit seinen Eltern und drei Schwestern auf der Kölner Str. 121 in Dormagen. Nach der Volksschule arbeitete Jakob in der Metzgerei seines Vaters. Während der Pogromnacht vom 9./10.11.1938 wurden die beiden verhaftet. SA-Männer verwüsteten und plünderten das Geschäft und das Haus der Familie Dahl. Seine Schwestern Hanni und Jenny hatten zu diesem Zeitpunkt schon das Land verlassen. Jakob musste fortan bei Bahnarbeiten als Schwellenleger arbeiten. Am 10.12.1941 wurde er mit seinen Eltern und Emmi vom Düsseldorfer Schlachthof ins Ghetto Riga deportiert. Seine Eltern wurden von der SS ermordet, Jakob und Emmi überlebten verschiedene Arbeits- und Konzentrationslager. Nach seiner Rückkehr nach Dormagen konnte er das elterliche Geschäft zurück erwerben. Kurz darauf kehrten auch seine Schwester Emmi und Irene Harf aus Wickrath zurück, die er im Ghetto kennengelernt hatte. Sie heirateten 1946 und gründeten eine Familie. Jakob litt bald unter den gesundheitlichen Folgen der Haft und erhielt hierfür ab 1957 eine monatliche Rente in Höhe von 46 DM.
Literatur und Quellen:
Pracht-Jörns, Elfi: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Teil III: Regierungsbezirk Düsseldorf, Köln 2000, S. 428f.
Zeugenaussage von Emmi Mendel, geb. Dahl, im Rheinischen Amt für Denkmalpflege (1997)
Pankalla, Heinz A.: Zur Geschichte der jüdischen Mitbürger und der Synagogengemeinde Zons-Dormagen, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Dormagen (1985), S. 10-59
Emmi Mendel: Kein Einzelschicksal. Zur Geschichte der Deportationen der Dormagener Juden, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Dormagen (1985), S. 50-52.
Interview der Geschichtslehrerin Vera Strobel mit Frau Hanni Paschek-Dahl (2009)
Archiv ITS (Bad Arolsen): Transportliste der Gestapo Düsseldorf, 1.2.1.1, Ordner 19a, Dok. Nr. 11199033 Residenten-Liste Dormagen, 1.2.5.1, Dok. Nr. 12850348, Häftlings-Personalkarte KZ Stutthof, 1.1.41.2, Dok. Nr., Häftlingspersonalkarte KZ Buchenwald, 1.1.5.3, Dok. Nr. 5718198 Häftlingspersonalbogen KZ Buchenwald, 1.1.5.3, 5718201
Autorin: Vera Strobel
Jakob Dahl war der Sohn des Metzgers Louis Dahl (geb. 1879) und seiner Ehefrau Sophie (geb. Katz, 1886). Er hatte zwei ältere Schwestern, Hanni (geb.1914) und Jenny (geb. 1912), und seine jüngere Lieblingsschwester Emmi (geb. 1921). Familie Dahl hatte ihren florierenden Metzgerladen auf der Kölner Str. 121, drei Häuser neben dem jüdischen Bethaus. Jeden Donnerstagnachmittag hatten Jakob und Emmi hier Religionsunterricht beim Neusser Kantor Benno Nussbaum, hier feierte Jakob 1929 auch seine Bar Mitzwa. Nach der Beendigung der Volksschule arbeitete Jakob bei seinem Vater in der Metzgerei.
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 und der beginnenden Diskriminierung und Entrechtung der jüdischen Familien in Dormagen entschieden sich Jakobs ältere Schwestern 1938 ins Ausland zu flüchten (Jenny nach Großbritannien und Hanni nach Chile). Während der Pogromnacht vom 9./10.11.1938 wurde Jakob mit seinem Vater und anderen jüdischen Dormagenern in 1-tägige sogenannte „Schutzhaft“ ins Rathaus in Dormagen gebracht. Metzgerei und Haus der Familie Dahl wurden verwüstet und geplündert. Aufgrund der „Sühneleistungen“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark, die der deutschen jüdischen Bevölkerung von der NS-Regierung auferlegt worden waren, mussten auch die Dahls ihren Besitz weit unter Wert für 6.000 Reichsmark an einen „arischen“ Nachbarn verkaufen. Fortan lebten sie zur Miete in ihrem früheren Eigentum. Vater Louis Dahl wurde gezwungen in einem Pumpenhaus zu arbeiten, Jakob wurde Schwellenleger bei Bahnarbeiten.
Am 10.12.1941 wurde Jakob Dahl mit seinen Eltern und seiner Schwester Emmi vom Düsseldorfer Schlachthof ins Ghetto Riga deportiert. Kurze Zeit nach seiner Ankunft wurde er mit anderen jungen Männern ins Arbeitslager Salaspils (bei Riga) transportiert und war einer der wenigen Überlebenden dieses Lagers. Seine Eltern wurden 1944 von der SS erschossen, seine Schwester Emmi ins KZ Stutthof verschleppt. Jakob selbst kam ins KZ Kaiserwald (bei Riga). Hier zog er sich durch das Arbeiten im Freien im Steinbruch, beim Holzfällen und beim Barackenbau Erfrierungen an beiden Füßen zu. Vom KZ Kaiserwald wurde er am 8.9.1944 ins KZ Buchenwald deportiert. Dort musste er ebenfalls im Steinbruch arbeiten, von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr. Durch einen Kolbenschlag ins Gesicht hatte er auch später noch eine schief stehende Nase. Vom 14.4.1945 bis zum Kriegsende im Mai 1945 war er im Ghetto Theresienstadt, hier wurde er von der Roten Armee befreit.
Nach seiner Rückkehr nach Dormagen erhielt er vom alliierten Kreisausschuss Grevenbroich ein Darlehen in Höhe von 3.000 Mark und eröffnete damit den elterlichen Metzgerladen. Er ließ durch das Rote Kreuz nach Angehörigen seiner Familie und Mitgefangenen im Ghetto Riga forschen und erfuhr, dass die mittlerweile 19-jährige Irene Harf aus Wickrath wie auch seine Schwester Emmi die Haft im Ghetto Riga und im KZ Stutthof überlebt hatte. Jakob hatte Irene im Ghetto Riga kennen gelernt, sie heirateten 1946 und ein Jahr später kam ihre Tochter Hani, 1954 die zweite Tochter Ruth zur Welt.
Es war Jakob Dahl ein wichtiges Anliegen zu helfen, die Nazi-Täter zur Verantwortung zu ziehen. So reichte er 1948 Klage gegen die Dormagener Beteiligten an der Pogromnacht 1938 beim Landgericht Düsseldorf ein und sagte im Prozess der Alliierten gegen die Verantwortlichen des Rigaer Ghettos als Zeuge aus. Während Jakob Dahl dank seiner körperlichen Konstitution bis 1950 noch jeden Sonntag in der Dormagener Fußballmannschaft spielen konnte, verschlechterte sich sein physischer und psychischer Zustand aufgrund der Haftbedingungen in den folgenden Jahren. Ein ärztliches Gutachten von 1951 attestierte ihm Herz- und Magenbeschwerden, Erfrierungen an den Zehen und zunehmende Nervosität. Für die erlittenen Qualen erhielt er ab 1957 eine monatliche Rente von 46 DM. Jakobs Tochter Hanni Paschek-Dahl führte mit ihrem Mann und ihrer Schwester Ruth den Metzgerladen bis 2012.
Autorin: Vera Strobel