16.02.1894
Haan
–
1944
Dora-Mittelbau
Hugo Kussel wurde 1894 als zweitältestes von fünf Kindern des Metzgers Hermann Kussel und seiner Frau Johanna geboren. Er heiratete Marianne Wolff aus Aurich. Am 27.5.1920 zog er zu ihr nach Ostfriesland. Hugo erlernte ebenfalls den Beruf des Schlachters und eröffnete in Aurich eine eigene Metzgerei. 1922 kam ihre Tochter Netta zur Welt, zwei Jahre später folgte Elfriede. Die Situation verschärfte sich ab 1933 für die Familie immer mehr. Während der Novemberpogrome am 9./10.11.1938 brannten SA-Männer die Synagoge nieder. Sie holten die Familie aus dem Haus, misshandelten und demütigten sie, verwüsteten und plünderten ihre Wohnung. Hugo wurde über Oldenburg in das KZ Sachsenhausen verschleppt und sechs Wochen eingesperrt. Nach seiner Rückkehr am 17.12.1938 musste er seinen Betrieb schließen. Ein Jahr später wurden die Kussels zum Wegzug gezwungen, sie kehrten 1940 nach Düsseldorf zurück. Dort mussten sich Hugo, Marianne und Elfriede sowie Mariannes Schwester und Schwager am 9.11.1941 am Schlachthof einfinden, von wo sie am nächsten Tag in das Ghetto Minsk deportiert wurden. Seine Frau und seine Tochter kamen dort ums Leben, Hugo wurde 1944 zuerst in das KZ Flossenbürg, dann in das KZ Natzweiler verschleppt, wo er im Außenlager Kolmar für Daimler-Benz Zwangsarbeit leisten musste. Danach deportierte ihn die SS in die KZ Ravensbrück und Dora-Mittelbau, wo sich seine Spur verliert.
Literatur und Quellen:
Lübbers, Günther; Junge, Brigitte: Das Ellernfeld. Online abrufbar unter: http://www.museum-aurich.de/fileadmin/user_upload/museum_aurich/Bilder/Gedenktafel_Ellernfeld_D-NL_20_07_2015.pdf; zuletzt abgerufen am 16.03.2016
Reyer, Herbert: Juden in Aurich. In: Obenaus, Herbert (Hrsg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen. Göttingen, 2005
Weferling, Sandra: Elfriede Kussel. (https://stolpersteineaurich.wordpress.com/2010/01/11/elfriede-kussel/)
Weferling, Sandra: Hugo Kussel (https://stolpersteineaurich.wordpress.com/2010/01/11/hugo-kussel/)
Stadtarchiv Haan Meldekartei Haan I
Text: Jasmin König
Hugo Kussel wurde 1894 als zweitältestes von fünf Kindern des Metzgers Hermann Kussel und seiner Frau Johanna geboren. Über seine Kindheit und Jugend im Dorf Gruiten ist nicht viel bekannt, auch nicht, wo er seine Frau Marianne Wolff aus Aurich kennen lernte. Am 27. Mai 1920 zog er zu ihr nach Ostfriesland. Auch sie kam aus einer Schlachter und Viehhändler-Familie. Hugo erlernte ebenfalls diesen Beruf und eröffnete in Aurich einen eigenen Schlacht- und Metzgereibetrieb. 1923 kam das erste Kind des Ehepaar Kussels zur Welt, Netta, zwei Jahre später folgte Elfriede. Sie wohnten gemeinsam bei Mariannes Eltern. Im Haus wohnten auch Mariannes Schwester Regina und ihr Mann Benjamin. Die Geschäfte von Hugos Betrieb liefen gut, so dass die Familie 1930 in dasselbe Haus, in dem sich auch Hugos Metzgerei befand, umziehen konnte. Die Familie beschäftigte zu diesem Zeitpunkt auch Angestellte, die im Haushalt halfen, es ging ihr also finanziell gut.
Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 veränderte sich alles. Den Boykott jüdischer Geschäftsleute bekam auch Hugos Betrieb zu spüren. In Aurich wurden außerdem am 29. April 1933 die Schächtmesser der jüdischen Gemeinde verbrannt, nachdem SA-Männer die Synagoge umstellt und deren Herausgabe verlangt hatten. Die jüdischen Mitglieder waren in der Fleischer-Zwangsinnung nun nicht mehr willkommen, obwohl es bisher eine gute Zusammenarbeit gegeben hatte. Das Geschäft lief für jüdische Schlachter in Aurich immer schlechter, so auch für Hugo. 1938 wurde das Geld vermutlich so knapp, dass die Familie wieder umziehen musste. Seine älteste Tochter war im Alter von 14 bereits nach Mannheim gezogen, vermutlich in der Hoffnung, dass die Anfeindungen hier geringer wären. Später konnte sie nach Schweden fliehen.
Im November 1938 wurde die Situation jedoch noch schlimmer. Am 9. November wurde auch in Aurich die Synagoge in Flammen gesetzt. Hugo und seine Familie wurden aus ihrem Haus geholt und mit anderen jüdischen Menschen in die so genannte „Bullenhalle“ gebracht. Hier wurden sie eine Nacht lang misshandelt und gedemütigt, während ihre Wohnung verwüstet und geplündert wurde. Am nächsten Tag durften seine Frau und seine Tochter nach Hause, doch Hugo wurde mit allen anderen jüdischen Männern unter 60 Jahren durch Aurich auf das Ellernfeld getrieben. Hier mussten sie, bewacht von SA Männern, Schubkarren im Kreis schieben und Kniebeugen machen. Unter den Augen der Auricher Bürger wurden sie bespuckt, getreten, gequält. Danach mussten sie zurück in die „Bullenhalle“ und wurden am 11. November über Oldenburg in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Hier war Hugo sechs Wochen eingesperrt. Seine Familie wusste nicht, wann und ob er zurückkommen würde.
Am 17. Dezember 1938 kehrte Hugo zurück nach Aurich. Doch nach seiner Internierung war es nicht mehr wie zuvor. Seinen Betrieb musste er noch im Dezember 1938 endgültig aufgeben, 1939 fand er Arbeit in Wilhelmshaven, allerdings als nicht mehr in seinem eigentlichen Metier. Er zog auch dorthin um, sah seine Frau nur noch selten. Seine zweite Tochter entschloss sich ebenfalls wegzuziehen. Sie versuchte nach Palästina auszuwandern. Nach den Plänen der Nationalsozialisten sollte Ostfriesland 1940 „judenfrei“ werden. Alle jüdischen Bürger hatten bis zum 1. April die Region zu verlassen. Auch Hugo Kussel und seine Frau mussten sich der Anweisung beugen. Am 26. Februar verkauften sie das Haus, das einst Mariannes Eltern gehört hatte, und machten sich gemeinsam mit Mariannes Schwester und Schwager auf den Weg nach Düsseldorf – vermutlich, weil in der Gegend noch zwei von Hugos Geschwistern wohnten. Hier wohnten Hugo und Marianne im Düsselkämpchen 2, einem "Judenhaus".
Auch ihre Tochter Elfriede zog 1941 nach Düsseldorf, jedoch nicht zu ihren Eltern. Ihr Wunsch auszuwandern, ließ sich nicht erfüllen. Am 9. November 1941 mussten sich Hugo, Marianne und Elfriede sowie Mariannes Schwester und Schwager am Schlachthof einfinden. Am nächsten Tag wurden sie alle in das Ghetto Minsk deportiert. Hier verliert sich die Spur von Marianne und Elfriede. Hugo wurde nach der Schließung des Ghettos in Minsk zuerst in das Konzentrationslager Flossenbürg verschleppt, wo er aber nur drei Wochen blieb. Dann deportierte ihn die SS in das KZ Natzweiler, wo er im Außenlager Kolmar in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten. Danach verschleppte ihn die SS in die KZ Ravensbrück und Dora-Mittelbau, einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Hier wurden in einem unterirdischen Stollen Häftlinge als Zwangsarbeiter in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Hier verliert sich die Spur von Hugo Kussel. Am 8. Juni 1952 wurde er vom Landgericht Düsseldorf für tot erklärt. Als Todesdatum wurde der 8. Mai 1945 festgelegt.
Text: Jasmin König
Der Stammbaum wird aktuell überarbeitet und ist bald wieder verfügbar. Vielen Dank für Ihre Geduld.