Henriette
Wolff
aus Mönchengladbach
01.04.1921
Mönchengladbach
–
1942
Izbica
Henriette Wolff verbrachte im Dezember und Januar 1941/42 drei Wochen in Düsseldorf. Sie hatte sich vermutlich mit ihren Eltern zerstritten und der familiären Enge in der Wohnung in Mönchengladbach, in der sie mit ihren Eltern und ihrem zweijährigen Sohn Denny lebte, zumindest eine Zeit lang entgehen wollen. Bei einer Kontrolle im Hauptbahnhof am 18.1.1942 wurde sie festgenommen, weil sie keinen Judenstern getragen hatte, und der Gestapo übergeben. Das Amtsgericht verurteilte sie wegen Verstoßes gegen die Kennzeichnungspflicht, und weil sie aus einem Hotel ein Handtuch mitgenommen hatte, zu 6 Wochen Gefängnis, die sie aber nicht mehr komplett verbüßte. Am 22.4.1942 wurde Henriette Wolff gemeinsam mit ihrem Sohn und ihren Eltern nach Izbica deportiert. Keiner überlebte die Deportation.
Literatur und Quellen:
Stadtarchiv Mönchengladbach, Memorial (Izbica-Deportation)
Stadtarchiv Mönchengladbach, Hausbuch Hindenburgstraße 360
Landesarchiv NRW, RW 58/17237
Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Bundesarchiv, Koblenz 1986
Autor: Joachim Schröder
Henriette Wolff war von Beruf Näherin und arbeitete bei der Firma Walter Zumbruch in Mönchengladbach. Sie lebte dort mit ihrem unehelichen, zweijährigen Sohn Denny und ihren Eltern, dem Schneider Julius Wolff und Berta (geb. Isaak) am Hagelkreuz 3a. Ende Dezember 1941 lief sie von zu Hause weg und machte sie sich auf den Weg nach Düsseldorf. Die genauen Gründe hierfür sind unbekannt. Zwei überlieferte Briefe der Eltern deuten darauf hin, dass Streitigkeiten in der Familie die Ursache gewesen sein könnten, hinzu kam womöglich die Sehnsucht der gerade 20jährigen jungen Frau, aus der Enge der elterlichen Wohnung zu entfliehen und sich wie gleichaltrige einmal etwas zu zerstreuen. Schon ein Jahr zuvor hatte sie zu diesem Zweck einige Tage in Köln verbracht.
Mittlerweile hatten sich aber die Ausgehbestimmungen für Juden verschärft. Das Leben der jüdischen Menschen war noch weiter eingeschränkt worden, eintönig und voller Sorgen. Sie mussten seit dem 1. September 1941 nicht nur den „Judenstern“ tragen, ohne polizeiliche Genehmigung durften sie ihren Wohnort nicht mehr verlassen. Die unternehmungslustige 20jährige ließ sich davon aber nicht abschrecken. Sie nahm den „Judenstern“ ab und reiste nach Düsseldorf. Dort machte sie verschiedene Bekanntschaften, vor allem mit anderen jungen Leuten, auch mit Männern. Sie besuchten Lokale und übernachteten sogar einmal in einem Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs, ansonsten übernachtete Henriette vermutlich bei Bekannten.
Bei einem Besuch in einem Lokal im Hauptbahnhof am 18.1.1942 wurde einer der neuen Freundinnen eine Handtasche gestohlen. Die herbeigerufene Polizei befragte auch Henriette Wolff und stellte dabei fest, dass sie „Volljüdin“ war und keinen Judenstern trug. Sie nahm Henriette fest und übergab sie der Gestapo, die sie umgehend in „Schutzhaft“ nahm. Erst gut zwei Wochen nach ihrer Verhaftung, am 31.1.1942, wurde sie vom Gestapobeamten Pütz eingehend vernommen. Pütz hielt Henriettes Angaben, sie habe sich nur amüsieren wollen, für unglaubwürdig und verdächtigte sie vor allem der „Rassenschande“ mit „arischen“ Männern, was Henriette allerdings energisch bestritt. Bei einer Übernachtung in einem Hotel hatte Henriette zudem ein Handtuch des Hotels mitgenommen, weil sie ohne jedes Gepäck nach Düsseldorf gereist war. In seinem Abschlussbericht vermerkte der Gestapobeamte Pütz, dass Henriettes vollkommen unglaubwürdig seien und dass „erfahrungsgemäß gerade jüdische Personen solange die Unwahrheit sagen, bis ihnen das Gegenteil ihrer Angaben bewiesen werden kann.“ Weil Henriette Wolff gegen die Kennzeichnungspflicht verstoßen und sich „nach Dirnenart“ am Hauptbahnhof herumgetrieben habe, beantragte die Gestapo beim Reichssicherheitshauptamt in Berlin „Schutzhaft“ und ihre Einweisung in ein Konzentrationslager der Stufe III (der schwersten Kategorie). Zugleich wurde sie vor dem Amtsgericht Düsseldorf angeklagt, das sie am 23.3.1942 zu 6 Wochen Gefängnis und 100 RM Geldstrafe verurteilte.
Die Haftstrafe verbüßte Henriette Wolff nicht mehr vollständig. Am 22.4.1942 wurde sie, gemeinsam mit ihrem Sohn und ihren Eltern, in das Ghetto Izbica im Distrikt Lublin im besetzten Polen deportiert. Keiner der Familie überlebte die Deportation.
Autor: Joachim Schröder