Erna
Valk
aus Goch
29.01.1905
Goch
–
10.08.1993
Goch
Erna Valk war verheiratet mit Walter Valk, der ein Spezialgeschäft für Herren- und Knabenbekleidung am Marktplatz in Goch betrieb. Am 28.09.1933 wurde ihre einzige Tochter Magdalena (Leni) geboren. Nach dem Novemberpogrom 1938 schickte Erna ihre Tochter zu ihrer Tante und ihrem Onkel in Leeuwarden in die Niederlande, um sie vor den Verfolgungen schützen. Ihr Geschäft hatten die Valks bereits Mitte 1938 aufgeben müssen. Am 10.12.1941 wurde das Ehepaar nach Krefeld gebracht, von hier am selben Tag in den Düsseldorfer Schlachthof. Am nächsten Tag wurden sie ins Ghetto Riga verschleppt. Erna überlebte die Zwangsarbeit im Ghetto und im KZ Stutthof, und auch den grausamen Todesmarsch kurz vor Kriegsende. Sie konnte fliehen und sich als „Ostflüchtling“ ausgeben. Nach Kriegsende kehrte sie zurück nach Goch. Auch ihr Ehemann Walter kam wieder. Sonst hatte keiner ihrer Familie überlebt – ihre Tochter Leni war bereits 1943 im Vernichtungslager Sobibór ermordet worden. Sie blieben dennoch in Goch und eröffneten wieder ein Konfektionsgeschäft.
Literatur und Quellen:
Valk, Erna: Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10. Dezember 1941 bis 30. Juni 1945. The Wiener Library, Ghetto Riga und Konzentrationslager Stutthof P.III. No. 367. Zit. nach: http://wp.ge-mittelkreis.de/webfrie05/webinsch/jupage/valkernabe.htm (Aufruf 31.03.2015).
Interview mit Erna Valk (Stadtarchiv Goch)
Website der Gesamtschule Mittelkreis (Goch)
Familie Stern/Valk: http://wp.ge-mittelkreis.de/webfrie05/webinsch/jupage/fsterna.htm (Aufgerufen: 7.4.15)
Autor: Max Kreuzwieser
Erna war die Tochter von Helene und Adolf Stern, dem ehrenamtlichen Geschäftsführer der Gocher Feuerwehr und Inhaber der Zigarrenfabrik Stern & Co. Sie hatte fünf Geschwister: Otto (1889), Karl (1890), Martha (1892), Fritz (1897) und Erna (1905). Sie war die letzte Schülerin in der jüdischen Schule in Goch. Von ihrem 14.-16. Lebensjahr ging sie zur Kaufmannschule der IHK in Krefeld und arbeitete anschließend in den Margarinewerken in Goch.
Am 22.12.1932 heiratete Erna Walter Valk und betrieb mit ihm gemeinsam ein Spezialgeschäft für Herren- und Knabenbekleidung am Marktplatz in Goch. Am 28.9.1933 wurde ihre Tochter Magdalena, genannt „Leni” geboren. Während des Novemberpogroms 1938 wurde bei der Durchsuchung der Wohnung ihr Ehemann Walter festgenommen, ins KZ Dachau verschleppt und erst am 4.2.1939 wieder entlassen. Dies gelang nur durch eine List. Erna hatte eine Freundin in Düsseldorf und diese wiederum einen Bekannten, der beim uruguayischen Konsulat arbeitete. Dieser stellte für Walter ein Vorvisum für seine Ausreise aus. Im Dezember 1938 beschloss Erna zur Sicherheit, ihre Tochter nach Leeuwarden in den Niederlanden zu den Verwandten ihres Mannes zu schicken.
Am 10.12.1941 wurde das Ehepaar Valk im Auftrag der Gestapo von der Kriminalpolizei festgenommen und nach Krefeld gebracht. Von dort wurden sie mit der Straßenbahn nach Düsseldorf in den Schlachthof in der Rather Straße transportiert und der Gestapo übergeben. Sie mussten die Nacht in der Viehhalle verbringen und wurden, nachdem ihnen sämtliche Wertsachen abgenommen worden waren, am nächsten Morgen in das Ghetto Riga verschleppt. Die beschwerliche Fahrt dauerte drei Tage.
Kurz nach ihrer Ankunft in Riga wurden zahlreiche männliche Häftlinge ausgesucht, die, wenige Kilometer vom Ghetto entfernt, das KZ Salaspils errichten mussten. Unter ihnen war auch Walter Valk. Nach sieben Monaten kehrte er ins Ghetto zurück. Erna Valk musste Zwangsarbeit in einer Gerberei verrichten. Ihre Tochter Leni war auch in den Niederlanden nicht in Sicherheit: sie wurde im Mai 1943 mit ihrem Onkel und ihrer Tante vom KZ Westerbork in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort am 21.5.1943 sofort ermordet. Die Nachricht ihrer Ermordung erhielten die Eltern allerdings erst nach Kriegsende. Als die Front immer näher rückte, wurde das Ghetto Riga nach und nach aufgelöst. Erna und Walter Valk wurden am 6.8.1944 auf dem Seeweg mit anderen noch arbeitsfähigen Häftlingen in das bei Danzig gelegene KZ Stutthof verschleppt. Von dort aus ging es weiter nach Bromberg (Polen), wo sie für die Reichsbahn Zwangsarbeit leisten mussten.
Wegen des Vorrückens der Roten Armee löste die SS am 20.1.1945 das Lager auf trieb die Häftlinge auf einem grausamen ein Todesmarsch in Richtung des KZ Oranienburg. Hier trennten sich die Wege von Erna und Walter. Erna kam am 29.1.1945 in Tempelburg (Polen) an. Von den anfänglichen 1.300 Frauen hatten nur 40 überlebt, der Rest war auf dem Weg erschossen worden. In Tempelburg gelang Erna Valk mit drei anderen Frauen die Flucht nach Dramburg in Pommern, wo sie sich mit falscher Identität als Ostflüchtlinge ausgaben.
Am 30.6.1945 kehrte Erna Valk zurück nach Goch. Zehn Tage später kam auch ihr Mann Walter zurück, der noch die Verschleppungen in die KZ Buchenwald und Theresienstadt überlebt hatte, bevor auch er von der Roten Armee befreit worden war. Nicht nur ihre einzige Tochter, auch [fast?) alle Verwandten waren ermordet worden. Das Ehepaar Valk blieb trotz ihrer furchtbaren Erlebnisse in Goch.
Nach der Rückkehr lebten die Valks in ihrem alten zerstörten Haus im Keller. Dort traf sie Joseph Seligmann an, der ebenfalls auch Goch stammte, aber nun als Soldat in der holländischen Armee diente. Zusammen mit einem britischen Offizier sorgte er dafür, dass die Valks in das Haus der Großeltern der Seligmanns in der Voßstraße 42 einziehen konnten. Dieses Haus kauften sie später und eröffneten dort ihr Konfektionsgeschäft. Die Valks machten es sich zur Aufgabe, die Bevölkerung über die Schrecken der Konzentrationslager der Nationalsozialisten aufzuklären. Ein weiteres Anliegen von Erna war es, die Realschule in Goch umzubenennen. Seit dem 28.9.1979 trägt die Schule den Namen ihrer Tochter.
Autor: Max Kreuzwieser