Berta
Hein
(geb. Lagstein)
aus Düsseldorf
13.04.1921
Düsseldorf
2006
Berta („Bertel“) wohnte mit ihrer Familie auf der Rather Straße 46. Dort befand sich auch die Darm-, Fell- und Gewürzhandlung der Eltern (Firma Cars & Co.). Als die Repressions-, Verfolgungs- und Boykottmaßnahmen immer schlimmer wurden, musste die Familie den Betrieb weit unter Wert verkaufen. Außerdem erhielten sie nur einen Bruchteil des Erlöses, der Rest floss auf ein Sperrkonto. Die Familie emigrierte im September 1938 über Triest nach Palästina. Dort betrieb sie eine kleine Wirtschaft. Da die Einnahmen aus diesem Geschäft nicht ausreichten, arbeitete Berta zusammen mit ihrem Bruder Gerson auf den Feldern landwirtschaftlicher Betriebe. Bertas Eltern und zwei Geschwister starben sehr früh an den Folgen von Krankheiten, ihr Bruder Franz fiel 1948 als Soldat im Israelischen Unabhängigkeitskrieg. So zog sie nach Tel-Aviv, lernte Hans Hein kennen, heiratete ihn 1950 und bekam mit ihm zwei Kinder.
Literatur und Quellen:
Genger, Angela: „Der Onkel Heinrich hat sich von Papa verabschiedet, und sie beide haben so geweint. Das war schrecklich!“. Für Bertel Hein, geb. Lagstein (1921-2006), in: Augenblick Nr. 32/33 (2006), S. 27.
Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, GED-31-001-100.096 (Interview mit Bertel Hein, 20.04.1996)
Stadtarchiv Düsseldorf, Entschädigungsakte 01.32.228.0029 (Lagstein)
Autor: Stefan Mühlhausen
Berta, genannt Bertel Hein, geb. Lagstein, wurde am 13.04.1921 in Düsseldorf geboren. Ihre Eltern waren Hermann Lagstein (05.07.1883 in Horodenka, Galizien) und Fanny Lagstein, geb. Cars (07.06.1888 in Mülheim). Berta hatte noch eine Schwester, Ruth Lagstein (26.01.1929) sowie zwei Brüder: Gerson Hugo (29.03.1922) und Franz Rudolf (21.11.1930), alle wie Bertel in Düsseldorf geboren. Ihrer Großmutter Emilie Cars (17.02.1868 in Velbert) gehörte die Darm-, Fell- und Gewürzhandlung Cars & Co., in der Nähe des Schlachthofs in der Rather Str. 46 gelegen. Hier befand sich auch die Wohnung der Familie Lagstein.
Das Leben der Familie Lagstein vor der Emigration
Bertels Vater Hermann war 1902 nach Deutschland gekommen und hatte eine Handelsschule besucht. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als deutscher Soldat und geriet zwei Jahre in russische Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Nach dem Krieg vertrieb er selbstständig Wasch- und Nähmaschinen in Düsseldorf, wo er auch Fanny Cars kennenlernte. Die beiden heirateten am 18.04.1920 und betrieben fortan die Darm- Fell- und Gewürzhandlung Cars & Co von Emilie Cars. Kurz darauf wurde ihre erste Tochter Bertel geboren. Bertel ging vier Jahre auf die Volksschule in der Essener Straße in Düsseldorf. Danach folgten noch vier weitere Jahre auf der Luisenschule. Weil sie Jüdin war, musste sie dann die Schule in der achten Klasse verlassen und erhielt zu Hause privaten Unterricht.
Das Geschäft hatte sich nach der Machtübernahme der Nazis trotz Boykottmaßnahmen zunächst noch gut halten können. Die Firma gehörte zu den wenigen „jüdischen“ Firmen, denen die neuen Machthaber zunächst weiterhin den Zutritt zum Schlachthof gestatteten. Ab 1936 machten sich die Boykottmaßnahmen jedoch auch für das Geschäft der Lagsteins deutlich bemerkbar – Hermann Lagstein wurde außerdem aus der Innung ausgeschlossen und erhielt keinen Zutritt mehr zum Schlachthof. In dieser schwierigen Zeit wurde die Familie glücklicherweise von verschiedenen Geschäftsfreunden des Vaters unterstützt. Dennoch wurde die Lage immer aussichtloser, so dass die Familie beschloss, das Land zu verlassen.
Die Emigration der Familie Lagstein
Die Familie war gezwungen, das Geschäft weit unter Wert zu verkaufen – es wurde von einem Kölner Grossisten übernommen, der auch gleich in die Wohnung der Lagsteins in der Rather Straße einzog. Sie konnte nur einen kleinen Teil des Verkaufsertrags mitnehmen, der Rest wanderte auf ein Sperrkonto und wurde später beschlagnahmt. Die Lagsteins reisten im September 1938 zunächst nach Triest, von dort aus ging es mit einem Schiff namens Marco Polo nach Ra‘anana in Palästina (heute Israel). Bertels Großmutter, Emilie Cars, emigrierte nicht mit nach Palästina. Sie wohnte später jüdischen Altersheim in der Grafenberger Allee 78 in Düsseldorf. Von hier aus wurde sie am 21.07.1942 vom Schlachthof aus nach Theresienstadt deportiert, wo sie nur sechs Wochen später starb.
Da die Familie aus ihrer 6-Zimmer-Wohnung nur einen Teil des Mobiliars hatte mitnehmen konnte, hatten sie die restlichen Möbel, wie zuvor das Geschäft, weit unter Wert verkaufen müssen. Ihr Plan war, von dem Geld des Geschäftsverkaufs ein kleines Haus zu bauen. Dieser Plan wurde jedoch durch die Sperrung ihres Vermögens durchkreuzt und so lebten sie in Ra’anana einem Holzhaus, in dem es nicht einmal Licht gab. Sie betrieben eine kleine Wirtschaft. Die Erträge daraus waren jedoch so gering, dass die Familie von dem restlichen Erspartem leben musste. Außerdem arbeitete die 17jährige Bertel zusammen mit ihrem ein Jahr jüngeren Bruder Gerson zusätzlich auf Feldern damit die Familie über die Runden kam.
Die Familie Lagstein nach dem Krieg
Die Lebensbedingungen in Palästina waren schwer. Im Alter von nur von 64 Jahren starb der Vater Hermann Lagstein am 04.06.1948 an Angina Pecoris. Ihr Bruder Franz starb 1948 im Alter von 18 Jahren als Soldat im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Ihre Mutter Fanny starb sehr früh an Krebs und auch ihre anderen beiden Geschwister, Ruth und Gerson, wurden krank und verstarben ebenfalls sehr früh, so dass Bertel Lagstein die einzige noch Lebende aus der Familie Lagstein war. Sie zog nach Tel-Aviv, um Arbeit zu finden. Dort lernte sie auch Hans Hein kennen, den sie 1950 heiratete. Zusammen mit Hans Hein bekam sie zwei Kinder. Als einzige Überlebende der Familie erhielt Bertel in den 1950er und 60er Jahren Entschädigungszahlungen für ihren früh verstorbenen Vater (wg. „Schaden im beruflichen Fortkommen“, dem erzwungenen Verkauf der Möbel, der Kosten für die der Emigration sowie für die zu zahlende „Reichsfluchtsteuer“ und Umzugsabgabe).
Autor: Stefan Mühlhausen