11.01.1911
Bartoszów (vor 1945: Barschdorf)
–
23.07.1980
Düsseldorf
Helfsgott hatte Jura studiert und sich dann zum Heeresdienst gemeldet, bevor er 1937 als Kriminalkommissar-Anwärter in den Polizeidienst trat. Nach Besuch der Führerschule der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin-Charlottenburg kam er zur Kripo Breslau (heute: Wrocław). Im August 1942 wurde Kriminalkommissar Helfsgott (1937 NSDAP, 1938 SS) Offizier im Einsatzkommando 6, das Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung in der Region um Donezk verübte. Ab April 1944 leitete er das „Sonderkommando 1005 B“, das die zahlreichen Massengräber, u.a. im Wald von Biķernieki bei Riga, „enterden“ und unkenntlich machen musste. Hunderte von jüdischen Zwangsarbeitern wurden hierbei ermordet, um sich der Zeugen zu entledigen. Nach zwei Jahren Internierung wurde Helfsgott 1947 dank lückenhafter Angaben in seinem Lebenslauf als „unbelastet“ entnazifiziert. Mit Unterstützung ehemaliger Kameraden fand er 1950 den Weg zur „Organisation Gehlen“ und 1954 zum Landeskriminalamt NRW. Am 8.1.1962 wurde Kriminaloberkommissar Helfsgott als mutmaßlicher Kriegsverbrecher festgenommen. Das Gericht konnte ihm zwar die Leitung von acht Exekutionen, aber keinen eigenen „Täterwillen“ nachweisen; er erhielt lediglich vier Jahre und drei Monate Zuchthaus. Wegen seiner Tätigkeit im „Sonderkommando 1005 B“ wurde er in einem weiteren Prozess 1969 freigesprochen. Er arbeitete fortan in der Rechtsabteilung eines Düsseldorfer Autohauses.
Literatur und Quellen:
Gerichtsurteil des Schwurgerichts beim LG Wuppertal vom 7.8.1963, in: Justiz und NS-Verbrechen, Nr. 606, Bd. XXII, Amsterdam 1981, S. 502-540
Gerichtsurteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.3.1969, in: Justiz und NS-Verbrechen, Nr. 701, Bd. XXXI, Amsterdam 2004, S. 693 ff.
Angrick, Andrej: "Aktion 1005". Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942–1945. Eine "geheime Reichssache" im Spannungsfeld von Kriegswende und Propaganda, Göttingen 2018
Hoffmann, Jens (Hg.): Diese außerordentliche deutsche Bestialität. Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten. Augenzeugenberichte und Gespräche, Hamburg 2013
Hoffmann, Jens: „Das kann man nicht erzählen“. „Aktion 1005“ – wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten, Hamburg 2008
Ullrich, Christina: „Ich fühl' mich nicht als Mörder...“. Die Integration von NS-Tätern in die Nachkriegsgesellschaft, Darmstadt 2011
Website: http://marjorie-wiki.de/wiki/Walter_Helfsgott (abgerufen am 17.12.2015)
Text: Joachim Schröder
Helfsgott studierte ab 1930 einige Jahre Rechtswissenschaft in Wien, Breslau und zuletzt Jena – wo er sich allerdings vornehmlich der 1933 vom SA-Hochschulamt eingerichteten Wehrsportausbildung widmete. 1934 meldete er sich zum freiwilligen Dienst in der Reichswehr und trat 1937 als Kriminalkommissar-Anwärter in den Polizeidienst. Er absolvierte 1938/39 den Lehrgang in der Führerschule der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin-Charlottenburg und erhielt 1940 eine Planstelle bei der Kripo Breslau. Im August 1942 wurde Kriminalkommissar Helfsgott, der seit Mai 1937 der NSDAP und seit 1938 der SS angehörte, zum Stab der Einsatzgruppe C in die Ukraine nach Kiew abgeordnet.
Von Anfang September 1942 bis Januar 1943 war er Angehöriger des Einsatzkommandos 6, in dem er ein Teilkommando führte. Die Einheit beging in der Region um Stalino (heute: Donezk) zahlreiche Massaker an der jüdischen Bevölkerung („Judenaktionen“) und durchkämmte mit der Unterstützung ukrainischer Hilfswilliger die Wälder nach Geflüchteten und Partisanenverdächtigen, die ebenfalls ermordet wurden. Ab Februar 1943 bildete Helfsgott in Mariupol ukrainische Hilfswillige für die Partisanenbekämpfung aus und führte bald darauf selbst eine kämpfende Einheit.
Im April 1944 kam er zum „Sonderkommando 1005“. Die Aufgabe dieses Spezialkommandos aus jüdischen Zwangsarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen bestand darin, die Spuren der Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung in der besetzten Sowjetunion zu vertuschen. Die Gefangenen mussten hierfür die Massengräber öffnen, die Leichen bergen und auf großen Scheiterhaufen verbrennen, die Überreste wurden in eigens konstruierten Knochenmühlen zermahlen – bewacht wurden die Zwangsarbeiter von Sicherheits- und Ordnungspolizei. Helfsgott übernahm die Leitung des Sonderkommandos 1005 B, das im April 1944 seine „Arbeit“ bei Riga aufnahm, wo die großen Massengräber von Biķernieki und Salaspils unkenntlich gemacht werden sollten. Sein direkter Vorgesetzter (und Organisator der „Aktion 1005“) war der berüchtigte Paul Blobel, der für das Massaker von Babij Jar verantwortlich war. Die über 300 jüdischen Zwangsarbeiter, die in Lettland zum Einsatz kamen, stammten aus dem KZ Kaiserwald. Nur wenige überlebten diese grausige „Arbeit“, fast alle wurden nachher erschossen, um sich aller Zeugen zu entledigen.
Im Mai 1945 geriet Helfsgott in britische Gefangenschaft, aus der er im Mai 1947 entlassen wurde. Aufgrund lückenhafter Angaben wurde er in Lüneburg als „unbelastet“ entnazifiziert. Er schlug sich mit verschiedenen Arbeiten durch, um sich, seine Frau und seine zwei Töchter zu ernähren. Mit Hilfe ehemaliger Kameraden kam er zur „Organisation Gehlen“, der Vorgängerorganisation des BND, für die er als V-Mann im Raum Hamburg operierte (offiziell war er für die Tarn-Firma Siegert & Co. GmbH tätig). Mit Unterstützung ehemaliger Kameraden und gefälschtem Lebenslauf fand Helfsgott 1954 Anstellung im Landeskriminalamt NRW. Er war Kriminaloberkommissar, als er am 8.1.1962 wegen Verdachts der Beteiligung an Massenmorden in der ehemaligen Sowjetunion festgenommen wurde.
Das Gericht konnte ihm die Leitung von mindestens acht Exekutionen nachweisen, bei denen mindestens 40 Menschen ermordet worden waren. Einen eigenen „Täterwillen“ vermochte das Gericht allerdings nicht zu erkennen. Am 7.8.1963 wurde Helfsgott wegen „Beihilfe zum Mord“ zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil wurde nach einer Revision 1965 bestätigt. 1969 stand Helfsgott, der inzwischen in der Rechtsabteilung eines Düsseldorfer Autohauses arbeitete, erneut vor Gericht, diesmal vor dem Landgericht Stuttgart wegen der Verbrechen des Sonderkommandos 1005. Auch hier konnte das Gericht keinen „Täterwillen“ feststellen und sprach Helfsgott aus Mangel an Beweisen frei. Sein Vorgänger, der Jurist Fritz Zietlow, von 1961 bis 1968 beim BND, erhielt vier Jahre Gefängnis.
Text: Joachim Schröder
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