Moritz
Sommer
aus Düsseldorf
19.06.1872
15.04.1945
Düsseldorf
Der in Düsseldorf-Oberbilk lebende Klempner Moritz Sommer war jüdischer Abstammung und musste untertauchen, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Dabei half ihm sein Vermieter und Freund, der mehrfache Europa- und Weltmeister sowie Olympiasieger im Ringen und Gewichtheben, Heinrich Rondi. Sommer wohnte bis 1942 in der Linienstraße 19. Der Hausbesitzer Rondi betrieb im Erdgeschoss eine Gaststätte und warnte Sommer bei bevorstehenden Razzien durch die Nazis, so dass Sommer jedes Mal rechtzeitig übers Dach fliehen konnte. In der Novemberpogromnacht drangen SA- und SS-Leute in Sommers Wohnung ein und wurden kurz darauf vom mutigen Rondi wieder vertrieben. 1942 wurde Sommers Dachgeschosswohnung ausgebombt und er kam in einem Kleingarten der Familie Prott unter. An der Stelle, an welcher heute die beiden Berufskollegs „Heinrich-Hertz-Berufskolleg“ und „Franz-Jürgens-Berufskolleg“ beheimatet sind. Sommer verdiente seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Dachrinnen und durch seine von Vielen geschätzte Art war die Auftragslage auch nie schlecht. Am 14.04.1945, also zwei Tage vor der Befreiung Düsseldorfs durch die Alliierten, fanden die Nazis Sommer doch noch. Sommer wurde denunziert, festgenommen, schwer misshandelt und schließlich am nächsten Morgen auf dem Oberbilker Markt erhängt. Er bekam ein Schild um den Hals, auf dem „Verräter am Deutschen Volk“ geschrieben stand. Verantwortlich für den Mord an Sommer war die sog. „Heeresstreife Kaiser“, eine Soldatenstreife deren Aufgabe es war Deserteure und Deserteurgehilfen ohne Gerichtsverhandlung öffentlichkeitswirksam zu bestrafen und dadurch die zahlreichen Desertierwilligen in den letzten Kriegstagen abzuschrecken.
Literatur und Quellen
Jakobs, Hildegard: Zeitspuren in Düsseldorf 1930 – 1950 – Ein Stadtführer, Hrsg. Vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Düsseldorf 2003.
Landeshauptstadt Düsseldorf, Bezirksverwaltungsstelle 3 (Hrsg.): 1933 – 1945 – Einzelschicksale und Erlebnisse, Bd. 2., Moritz Sommer, Düsseldorf, 1986.
https://www.duesseldorf.de/stadtmuseum/sammlung/anlagen/museumszeitung04.pdf
Autor: Stefan Mühlhausen
Moritz Sommer war von Beruf Klempner und wohnte bis 1942 in der Linienstraße 19 in Düsseldorf. Da er jüdischer Abstammung war, musste er in den Jahren 1942-1945 mehrfach untertauchen. Dabei half ihm der Eigentümer des Hauses Linienstraße 19, Heinrich Rondi. Der mehrfache Europa- und Weltmeister sowie Olympiasieger im Gewichtheben, Ringen und Tauziehen, Heinrich Rondi, betrieb eine Gaststätte im Erdgeschoss des Hauses und war mit Sommer gut befreundet. Wenn es Razzien der Nazis gab, wurde Sommer von Rondi mit Hilfe eines vorher vereinbarten Zeichens rechtzeitig gewarnt, so dass er über das Dach fliehen und so immer wieder entkommen konnte. In der Pogromnacht vom 9. Auf den 10. November 1938 hatte der mutige Rondi sogar SA-Männer vertrieben, die in Sommers Wohnung eingedrungen waren, um diese zu verwüsten.
Da Sommer bei vielen DüsseldorferInnen beliebt war, viele Kontakte und Freundschaften pflegte, bekam er immer wieder Arbeitsaufträge, mit denen er als selbstständiger Klempner seinen Lebensunterhalt finanzieren konnte. Sommer spezialisierte sich dabei auf die Reparatur von Dachrinnen und arbeitete oft für Landwirte im benachbarten Meerbusch.
Als Sommers Wohnung in der Linienstraße 1942 ausgebombt wurde, fand er Unterschlupf in einem Kleingarten der Familie Prott. Der Kleingarten befand sich auf einer Fläche nahe “auf’m Hennekamp“, dort, wo sich heute das “Heinrich-Hertz-Berufskolleg“ und das “Franz-Jürgens-Berufskolleg“ befinden.
Am 15. April 1945, also zwei Tage vor der Befreiung Düsseldorfs durch die Alliierten und damit auch zwei Tage vor Sommers persönlicher Befreiung vom Leben im Untergrund, wurde er doch noch von den Nazis aufgegriffen. Es waren Soldaten der “Heeresstreife Kaiser“, die ihn in dem Kleingarten festnahmen. Die “Heeresstreife Kaiser“ wurde in den letzten Kriegstagen eingesetzt, um Deserteure und deren Helfer_innen aufzuspüren, festzunehmen und hart zu bestrafen. Gerade zum Ende des Krieges gab es immer mehr Menschen, die weitere Kampfhandlungen als sinnlos erachteten und desertieren wollten. Die Heeresstreife wollte mit ihrem harten Vorgehen Exempel statuieren und desertierwillige Deutsche vor einem möglichen Aufgeben abschrecken.
Sommer wurde denunziert und beschuldigt, Deserteuren geholfen zu haben. Ohne Gerichtsverhandlung wurde Sommer in derselben Nacht noch schwer misshandelt, ermordet und früh am nächsten Morgen am hochfrequentierten Oberbilker Markt öffentlichkeitswirksam mit einem Strick um den Hals aufgehängt. Dabei trug sein Leichnam noch ein Schild um den Hals, auf dem „Verräter am Deutschen Volk“ geschrieben stand.
Der Oberbilker Markt, der vor 1933 ein Zentrum und Treffpunkt der Arbeiterbewegung war und an dem sich während des Krieges ein unterirdischer Bunker befand, wurde so für viele Überlebende Düsseldorfer Zeitzeugen zum Sinnbild des NS-Terrors.
Sommer hinterließ eine Tochter, die einen sog. „Arier“ heiratete und mit ihrem Kind in Berlin untertauchte, Mutter und Kind überlebten das Kriegsende.
Von den Tätern der Heeresstreife wurden zwei nach dem Krieg gefasst, interniert und verurteilt. Hauptmann Kaiser, nach dem die Heeresstreife benannt war, wurde für alle seine Taten zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Feldwebel Stender, der direkt an der Ermordung Sommers beteiligt gewesen war, erhielt zunächst die Todesstrafe. Ihm kam jedoch zu Gute, dass die Todesstrafe mit dem neuen Grundgesetz von 1949 abgeschafft wurde. Außerdem führten Einsprüche und Revisionsverhandlungen dazu, dass sein Urteil in eine fünfjährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde.
Zu Ehren von Moritz Sommer wurde eine Straße am ehemaligen Kleingartengelände, in dem sich Sommer versteckt hatte, nach ihm benannt. Außerdem erinnert eine Gedenktafel an der Wand des heutigen Polizeipräsidiums am Oberbilker Markt an den Mord an Moritz Sommer.
Autor: Stefan Mühlhausen