01.08.1921
Krefeld
–
04.07.1995
Krefeld
Lore Gabelin wurde in Krefeld geboren und ging dort zur Schule. Später wurde sie von ihren Eltern aus der Schule genommen, da sie als „Halbjüdin“ ausgegrenzt wurde. 1940 arbeitete sie als Landarbeiterin und 1941 als Bürogehilfin. Sie heiratete 1942 Werner Gabelin, der nach den NS-Gesetzen ebenfalls als „Halbjude“ galt und den sie schon länger kannte. Am 26.9.1942 wurde ihr erster Sohn, Richard, geboren. Erst 1943 wurden Lore und Werner Gabelin nach einem Behördenstreit als Juden eingestuft und mussten ab sofort einen Stern tragen. Ohne ihren ersten Sohn und hochschwanger wurde Lore Gabelin zusammen mit ihrem Mann, ihrer Mutter und ihrer Schwester am 17.9.1944 zum Schlachthof in Derendorf gebracht. Von dort wurden sie und ihr Mann über das OT-Lager Lenne-Vorwohle nach Berlin deportiert, einen Monat später von dort weiter nach Theresienstadt. Lore wurde von ihrem Mann getrennt und gebar am 21.12.1944 unter grausamsten Lebensumständen im KZ ihren zweiten Sohn, Thomas. Im Februar 1945 traf sie auf ihre Mutter Else Müller, die aus einem weiter östlichen Lager evakuiert worden war. Ihre Mutter starb am im Juni 1945 an Typhus, sie hatte sich bei der Pflege der todkranken KZ-Überlebenden angesteckt. Nachdem eine Typhus-bedingte Quarantäne aufgehoben wurde, kehrte Lore Gabelin am 20.8.1945 nach Krefeld zurück.
Literatur und Quellen:
Schupetta, Ingrid: Lore Gabelin. Eine biographische Skizze aus der NS-Zeit in: Theresienstädter Studien und Dokumente 1995, Prag 1995, S. 194 ff.;
Lore Gabelin, in: Kulturverein Schwarzer Hahn e.V.: Theresienstadt 1941-1945 - Ein Nachschlagewerk (online: http://www.ghetto-theresienstadt.info/pages/g/gabelinl.htm) (Aufruf 12.12.2017)
Text: Martin Heiter
Lore Gabelin wurde als erste Tochter des Ehepaares Fritz und Else Müller geboren. Ihr Vater war katholisch und ihre Mutter jüdisch. Sie wurde katholisch getauft und bekam auf der Volksschule katholischen Religionsunterricht. Ihre jüngere Schwester Ilse hingegen besuchte eine jüdische Volksschule. Ostern 1931 wechselte Lore auf die Bürgerschule für Mädchen, in der sie nun jüdischen Religionsunterricht erhielt. Lore war zu dieser Zeit verunsichert und wusste sich nicht zuzuordnen zwischen jüdisch und katholisch.
Ihr Vater, Fritz Müller, war Elektromeister und betrieb ein eigenes Geschäft, dessen Umsatz immer schlechter wurde. Als er versuchte, gezielt bei der jüdischen Gemeinde um Kundschaft zu werben, wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Er verlor seine Konzession und musste das Geschäft aufgeben. Er wurde unter Druck gesetzt, sich scheiden zu lassen. Aber er gab nicht nach. Ende 1937 war die wirtschaftliche Lage so schlecht, dass die Müllers ihr Haus verkaufen mussten. Fritz Müller fand eine Stelle als Hilfsarbeiter bei Krupp. Zu dieser Zeit erfuhr Lore Gabelin auf der Mädchenschule, was es bedeutete, als Jüdin wahrgenommen zu werden. Sie wurde in der Schule ausgegrenzt und nur wenige Freunde hielten Kontakt mit ihr. Als die Eltern merkten, welcher Druck in der Schule auf ihre Tochter ausgeübt wurde, nahmen sie sie 1935 von der Schule. Lore Gabelin begann eine kaufmännische Lehre in einer Krawattenfabrik. Sie wurde von der Kaufmannsschule verwiesen, und die (jüdische) Firma wurde geschlossen. Sie arbeitete 1940 als Landarbeiterin und ab 1941 als Bürogehilfin.
1942 heiratete Lore Werner Gabelin, der auch aus einer „Mischehe“ stammte. Nur mit großen Schwierigkeiten kamen sie über Werners Arbeitsgeber, Herrn Nieken, an eine Wohnung bei der Familie Näbers in Krefeld. Beide galten nach den „Nürnberger Rassengesetzen“ als „Mischling ersten Grades“, während Lores Schwester als „Geltungsjüdin“ eingestuft wurde, weil sie die jüdische Volksschule besucht hatte. Die Ehe der Eltern galt als „privilegierte Mischehe“, was 1941 zur Folge hatte, dass nur Ilse, ihre Schwester, einen Judenstern tragen musste. Ilse und ihr Vater wollten das nicht akzeptieren und wandten sich an die Behörden. 1943 kam es nach dem Streit zwischen verschiedenen Behörden zu dem Beschluss, dass alle Juden seien und einen Stern tragen müssten. Dies betraf auch Werner, der zu diesem Zeitpunkt schon mit Lore verheiratet war. Ihr erster Sohn Richard, wurde noch vorher am 26. September 1942 geboren.
Die Verfolgung spürte die Familie zuerst, als der Großvater Hermann Coppel aufgrund von „Unzurechnungsfähigkeit“ dem „Euthanasie“-Programm zum Opfer fiel. Am 25. Juli 1942 wurden Ida Coppel, die zweite Ehefrau von Hermann, und die Großtante Sara Coppel in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Als dann am 17. September 1944 alle „Halbjuden“ und Juden aus „Mischehen“ in Krefeld verhaftet wurden, waren unter ihnen auch Else und Ilse Müller, Werner und Lore Gabelin. Lore war zu diesem Zeitpunkt im 6. bis 7. Monat Schwanger. Ihr 1-jähriger Sohn Richard und ihr Vater Fritz Müller waren nicht auf der Liste und blieben zurück, während die anderen zum Schlachthof in Derendorf transportiert wurden. Während Else und Ilse Müller in ein Arbeitslager der „Organisation Todt“ bei Zeitz kamen, wurden Werner und Lore Gabelin weiter in das OT-Lager Lenne-Vorwohle transportiert, wo sie zehn Tage in einem Kuhstall hausen mussten. Anschließend ging es über drei Tage in einem Personenwagon nach Berlin. Hier wurden sie für einen Monat auf dem zum Sammellager umfunktionierten Gelände des ehemaligen jüdischen Krankenhauses untergebracht, bis sie am 13. Oktober 1944 ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurden.
Bei der Ankunft im Ghetto wurde sie von ihrem Mann getrennt und traf ihre Stiefgroßmutter wieder, die trotz ihres hohen Alters die schweren Haftbedingungen überstanden hatte. Da Lore Gabelin zu einer kriegswichtigen Arbeit, dem Glimmerspalten, eingeteilt wurde, entging sie einer weiteren Deportation nach Osten (der letzte Deportationszug von Theresienstadt nach Auschwitz fuhr am 28. Oktober 1944). Trotz der extrem schlechten Ernährung konnte Thomas Gabelin am 21. Dezember 1944 in einer Kaserne, die als Krankenhaus eingerichtet war, geboren werden. Lore hatte Glück, da Geburten häufig nicht zugelassen wurden. Im Februar 1945 traf sie auf ihre Mutter Else, die aus einem Lager im Osten evakuiert worden war. Die steigende Zahl der Häftlinge verschlechterte die Lebensbedingungen weiter und Typhus konnte sich ausbreiten. Als Anfang Mai die Rote Armee das Lager befreite, mussten sie es unter Quarantäne stellen, um zu verhindern, dass sich die Krankheit weiter ausbreitete. Lore Gabelins Mutter meldete sich zur Behandlung der Kranken, infizierte sich und starb am 1. Juni 1945.
Am 20. August 1945 kehrten die Gabelins nach Krefeld zurück. Sie wollten nach Amerika ausreisen, doch Werner war mittlerweile Mitglied der KPD und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), weshalb ihnen die Einreise nach Amerika verwehrt wurde. Sie blieben in Krefeld. Lore Gabelin entschied sich, Mitglied der dortigen jüdischen Gemeinde zu werden.
Text: Martin Heiter
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