Kurt
Schulz-Isenbeck
aus Düsseldorf
23.10.1912
Unna
–
22.04.1995
Neuendettelsau
Stellvertretender Chef der Düsseldorfer Kriminalpolizei (1961-1972)
Der ehemalige Jura-Student Schulz-Isenbeck trat 1936 in Dortmund in die Kriminalpolizei ein und absolvierte den Kommissariatslehrgang an der Schule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg. 1941 war er einige Monate Angehöriger des Einsatzkommandos 9, das in der Sowjetunion mehrere Tausend Juden ermordete. Nach Abschluss seines Studiums leitete er zuletzt die Gestapo in Karlsbad (heute: Tschechien). Trotz seiner Mitgliedschaften in SA (1933), NSDAP (1937) und SS (1938) wurde Schulz-Isenbeck 1949 als „entlastet“ entnazifiziert und durfte 1951 seinen Polizeidienst fortsetzen: ab Mitte der 1950er Jahre in der Polizeiabteilung im nordrhein-westfälischen Innenministerium, ab 1961 als Stellvertreter des wegen seiner NS-Vergangenheit ebenfalls nicht unumstrittenen Düsseldorfer Kripo-Chefs Bernhard Wehner. Zwei Ermittlungsverfahren wg. NS-Verbrechen wurden ergebnislos eingestellt. Schulz-Isenbeck ging 1972 unbehelligt in Pension.
Literatur Quellen:
Landesarchiv NRW R, NW 334/78 (Verfahren gegen Schulz-Isenbeck)
Landesarchiv NRW R, HSA-Pe 5927 (Personalakte)
Linck, Stephan: Die Stammtisch-Geschichte der „Alten Charlottenburger“. Ein Netzwerk in Westdeutschland, in: Klaus-Michael Mallmann/Andrej Angrick (Hg.): Die Gestapo nach 1945. Karrieren, Konflikte, Konstruktionen, Darmstadt 2009, S. 105-121
Autor: Joachim Schröder
Schulz-Isenbeck war Sohn des Rektors Konrad Schulz und seiner Frau Emilie. Nach seinem Schulabschluss und einem Jahr als Volontär in der Geschäftsbücherfabrik P.W. Ruhfus in Unna begann Schulz-Isenbeck im März 1932 ein Jurastudium an den Universitäten Heidelberg und Münster. Im Oktober 1934 leistete er seinen Wehrdienst. Nach dessen Abschluss bewarb er sich im Oktober 1935 bei der Dortmunder Kriminalpolizei, setzte aber zugleich sein Studium an der Uni Münster fort. Am 4.1.1936 wurde er bei der Kriminalpolizeileitstelle Dortmund eingestellt. Nach Absolvierung des Kommissar-Lehrgangs an der Schule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg erhielt er in Dortmund Ende 1937 eine Planstelle als Kriminalkommissar. Politisch hatte sich Schulz-Isenbeck bereits 1933 den neuen Verhältnissen angepasst: Er war am 28.4.1933 in die SA eingetreten (der er bis zum 1.10.1934 angehörte), seit 1938 war er Angehöriger der SS. Seine NSDAP-Mitgliedschaft datiert vom 1.5.1937 (als die Aufnahmesperre aufgehoben wurde).
1940 wurde Schulz-Isenbeck von seinen Vorgesetzten zu einem Fortbildungslehrgang geschickt, in dessen Rahmen er nacheinander an den Kriminalpolizeileitstellen Frankfurt am Main und Berlin hospitierte. Zugleich setzte er sein bis dahin unterbrochenes Studium in Frankfurt und Berlin fort. Im Mai 1941 kam er zur Grenzpolizeischule in Pretzsch, wo die Angehörigen der Einsatzgruppen und -kommandos auf ihre Mordtätigkeit in der Sowjetunion vorbereitet wurden. Schulz-Isenbeck gehörte im Rang eines SS-Hauptsturmführers (Offiziersrang) dem Einsatzkommando 9 an, das von SS-Obersturmbannführer Filbert angeführt wurde und das in Litauen und Russland zehntausende Juden ermordete. Am 20.9.1941 wurde er wieder nach Berlin zurückbeordert, um sein Studium fortzusetzen. 1942 legte er sein Referendarsexamen ab und nahm dann eine Tätigkeit beim Landratsamt Johannesberg (Reg. Bez. Königsberg) auf. Im August 1943 erhielt er kurzzeitig eine Stellung als Regierungsassessor im Reichsinnenministerium, wurde aber bereits einen Monat später Referent beim Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in Berlin. Im November 1944 wurde er Leiter der KdS-Außenstelle Karlsbad im sog. „Sudetenland“ im heutigen Tschechien (KdS = Kommandeur der Sicherheitspolizei, diese umfasste Gestapo und Kriminalpolizei).
Nach der Niederlage wurde Schulz-Isenbeck im Zuge des „automatischen Arrests“ für Angehörige der Sipo inhaftiert und war bis Mai 1947 in der britischen Zone interniert, zuletzt im Internierungslager Recklinghausen. Am 18.1.1949 wurde Schulz-Isenbeck vom Entnazifizierungsausschuss in Unna als „politisch entlastet“ eingestuft. Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager im Mai 1947 nahm er verschiedene Tätigkeiten in der freien Wirtschaft auf, bewarb sich aber am 22.11.1951 wieder für den Polizeidienst und sicherte zu, seine Arbeitskraft „vorbehaltlos für den Aufbau der Deutschen Bundesrepublik einzusetzen“. Als Bürgen nannte er neben dem SPD-Bundestagsabgeordneten Alfred Gleisner die Kriminalräte Heinrich Eweler, Karl Kiehne und Heinrich Böhlhoff sowie den Kriminaloberinspektor Hans Gramsch – allesamt wie er Absolventen der Schule der Sicherheitspolizei in Charlottenburg und wieder im aktiven Polizeidienst. Seine Tätigkeit beim Einsatzkommando 9 verschwieg Schulz-Isenbeck in seinem Lebenslauf geflissentlich.
Am 16.6.1952 wurde er im Dienstrang eines Kriminalinspektors wieder in den Polizeidienst übernommen und erhielt bald die Leitung eines Kommissariats bei der Kriminalpolizei in Gelsenkirchen. Im Januar 1954 wurde er Fachlehrer an der Landes-Polizeischule „Erich Klausener“, am 1.4.1955 erfolgte seine Versetzung zum Polizeipräsidium Düsseldorf. Kurz darauf kam er in die Polizeiabteilung im nordrhein-westfälischen Innenministerium, am 1.8.1961 kehrte er zum Polizeipräsidium Düsseldorf zurück. Er stieg zum stellvertretenden Leiter der Kriminalpolizei auf und wurde eine maßgebliche Stütze dieser Behörde. Sein Vorgesetzter, Kripochef Dr. Bernhard Wehner, war in einer Beurteilung aus dem Jahr 1963 voll des Lobes über seinen Stellvertreter: „Das Verhalten als Vorgesetzter entspricht der hervorragenden geistigen und charakterlichen Veranlagung des Beamten und seinen Leistungen. [...] Der Kriminalpolizei des Landes wäre zu wünschen, daß es mehr solche Beamte wie KHK Schulz-Isenbeck gibt.“
Ermittlungen wegen NS-Verbrechen
Zu dieser Zeit schwebte über Schulz-Isenbeck bereits ein Ermittlungsverfahren. Wegen seines „Osteinsatzes“ während des Krieges war er ins Visier der für NSG-Verfahren zuständigen Dortmunder Staatsanwaltschaft geraten. In seinen Vernehmungen bestritt er jegliche Teilnahme an Erschießungen und gab vor, lediglich als Verbindungsoffizier zur Wehrmacht fungiert zu haben und deswegen sehr selten bei seiner Einheit (dem Einsatzkommando) gewesen zu sein. Erst nach einigen Wochen habe er im Kameradenkreis Andeutungen über stattgefundene Exekutionen gehört. Selbst konkrete Kenntnisse über die Mord-Aktionen bestritt er vehement. Schulz-Isenbecks unglaubwürdige Einlassungen wurden während des Ermittlungsverfahrens mehrfach erschüttert, zum einen durch seinen ehemaligen Vorgesetzten Dr. Filbert, der bestritt, einen solchen Verbindungsmann zur Wehrmacht jemals eingesetzt zu haben. Außerdem habe jeder Angehörige seines Kommandos mindestens einmal an einer Exekution teilnehmen müssen. Zum anderen wurden Zeugen ermittelt, die Schulz-Isenbeck als Führer eines Teilkommandos identifizierten, das Massenexekutionen durchgeführt hatte. Da aber letzte Zweifel an der Glaubwürdigkeit bzw. am Erinnerungsvermögen der Zeugen nicht ausgeräumt werden konnten, ließ es das Gericht gar nicht erst zur Hauptverhandlung kommen und setzte Schulz-Isenbeck am 30.6.1970 – nach 10 Jahren Ermittlung außer Verfolgung. Umgehend wurde die lange aufgeschobene Beförderung Schulz-Isenbecks zum Kriminalrat nachgeholt, ein Jahr darauf wurde er sogar noch zum Kriminaloberrat ernannt.
Kurz zuvor war Schulz-Isenbecks Vorgesetzter über ein weiteres Ermittlungsverfahren informiert worden. Kurz vor der Kapitulation, im April 1945 waren in der Nähe von Karlsbad etwa 200 KZ-Häftlinge aus einem Nebenlager des KZ Flossenbürg während eines Evakuierungstransportes exekutiert und auf dem Friedhof von Karlsbad verscharrt worden. Der ehemalige Chef der Karlsbader Gestapo wurde verdächtigt, an dieser Mordaktion „mitgewirkt“ zu haben – dies bestritt Schulz-Isenbeck ebenso wie den zusätzlichen Vorwurf, für die Ermordung tschechischer Widerstandskämpfer verantwortlich gewesen zu sein. Im übrigen, so Schulz-Isenbeck in seiner Vernehmung, könne er sich an seinen konkreten Aufgabenbereich als damaliger Behördenleiter nicht erinnern. Der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Dr. Stockmann stellte das Ermittlungsverfahren am 16.2.1973 schließlich ein, da die Einlassungen Schulz-Isenbecks nicht zu widerlegen seien: „Weitere Ermittlungen – auch gegen andere Angehörige der Stapoleitstelle Karlsbad – versprechen mangels geeigneter Ansatzpunkte keinen Erfolg. Wegen der Länge der seit dem Tatgeschehen verstrichenen Zeit ist eine weitere Aufklärungsmöglichkeit nicht ersichtlich. Das Verfahren ist daher aus dem tatsächlichen Grunde des mangelnden Beweises einzustellen.“ Schulz-Isenbeck wurde 1972 pensioniert.
Autor: Joachim Schröder