Kurt
Franz
aus Wuppertal
17.01.1914
Düsseldorf
–
04.07.1998
Wuppertal
Kurt Hubert Franz war der letzte Lagerkommandant des Vernichtungslagers Treblinka in Polen. Geboren wurde er in Düsseldorf, dort machte er auch eine Ausbildung zum Koch. Mit seiner Frau wohnte er eine Zeit lang in Ratingen. Er war einer der Hauptangeklagten im Düsseldorfer Treblinka-Prozess 1964, dem zweitgrößten Prozess gegen NS-Verbrechen in Deutschland. Bereits im Jahr 1937 trat Franz der SS bei, kam bei der 3. SS-Totenkopfstandarte „Thüringen“ unter, die die Wachmannschaft im KZ Buchenwald stellte. Ab 1939 war er bei der „Aktion T4“ in mehreren Sanatorien und in der T4-Zentrale in Berlin eingesetzt. Wie viele T4-Mitarbeiter wurde Franz in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ eingesetzt. Er kam erst nach Bełżec, im August 1942 wurde er als stellvertretender Lagerleiter nach Treblinka versetzt. Dort war er maßgeblich am Massenmord an rund 700.000 Menschen beteiligt. Nach dem Krieg konnte er aus US-amerikanischer Gefangenschaft flüchten und lebte unbehelligt in Düsseldorf, bis er dort am 2.12.1959 verhaftet wurde. Seit dem 12.10.1964 wurde ihm und neun weiteren Angeklagten der Prozess gemacht. Franz wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, durfte während der Zeit im Gefängnis aber immer wieder Urlaub bei seiner Frau machen. 1993 wurde er entlassen, fünf Jahre später verstarb er in einem Wuppertaler Altenheim.
Literatur und Quellen:
Berger, Sara: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka, Hamburg 2013
Interview mit Kurt Franz über das Lager, Ausschnitt aus dem Film „Der Judenmord – Deutsche und Österreicher berichten“, von Michel Alexandre, erstmals ausgestrahlt am 5., 7. und 9.11.1998 in WDR III (https://www.youtube.com/watch?v=OH8SskHB2e4&vl=de)
Münster, Erika: Kurt Franz aus Ratingen. Letzter Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka. In: Die Quecke. Ratinger und Angerländer Heimatblätter, Nummer 70, Dezember 2000, S. 179-183.
(http://www.stadt-ratingen.de/bilder/41/stadtarchiv/e-books/KurtFranzQuecke70.pdf)
Sagel-Grande, Irene/Adelheid Rüter-Ehlermann/H.H. Fuchs/C.F. Rüter: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung Deutscher Strafurteile wegen Nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1966. Band XXII, S. 48-92.
Thissen, Torsten: Der vergessene Prozess um Treblinka. Serie Düsseldorfer Geschichten. Rheinische Post Online (19.10.2014)
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/der-vergessene-prozess-um-treblinka_aid-16537861)
Autorin: Merle Weidtmann
Kurt Hubert Franz wurde in Düsseldorf als Sohn eines Kaufmanns geboren und hatte eine Schwester, die nach Kriegsende in Wuppertal gemeldet war. Er besuchte acht Jahre lang die Volksschule in Düsseldorf und war danach zunächst als Laufbote tätig. 1929 begann er in dem Düsseldorfer Restaurant „Hirschquelle“ eine Kochlehre, die er später im „Wittelsbacher Hof“ fortsetze. Eine Gesellenprüfung legte er jedoch nicht ab. Sein Vater starb im Jahr 1928, woraufhin seine Mutter ein zweites Mal heiratete. Er und seine Schwester wurden katholisch erzogen, in der Zeit des Nationalsozialismus bezeichnete sich Kurt Franz jedoch selbst als „gottgläubig“.
Er war circa ein halbes Jahr Mitglied in der Kyffhäuser-Jugend bevor er sich 1932 für das von der Organisation „Stahlhelm“ geleitete Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) meldete. Von 1934-1935 arbeitete er dann bei einem Metzger in Düsseldorf-Oberkassel. Kurt Franz trat nie in die NSDAP ein, wurde jedoch bereits 1937, kurz nach Beendigung seines Wehrdienstes, Mitglied der SS. Er kam in die 3. Totenkopfstandarte „Thüringen“ und wurde in der Wachmannschaft des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar eingesetzt.
Seit 1939 wurde Franz im Rahmen der „Aktion T4“ eingesetzt. Im Zuge dieser Aktion wurde von der Zentrale auf der Tiergartenstraße 4 in Berlin aus der Mord an geistig sowie körperlich kranken Menschen gesteuert und organisiert. Zuvor war er bei der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten tätig gewesen - dort verschickte er die „kranken“ Menschen aus den Sanatorien in die Tötungsanstalten. Kurt Franz wurde in den Jahren von 1938 bis 1942 insgesamt vier Mal befördert, das letzte Mal zum SS-Oberscharführer am 20.4.1942.
Seine aus Ratingen stammende Frau Irmgard heiratete er im Frühjahr 1940. Die Ehe blieb kinderlos – er hatte jedoch vier uneheliche Töchter von verschiedenen Frauen.
Im Jahr 1942 wurde Kurt Franz zuerst im Lager Belzec beschäftigt, ab August 1942 war er dann stellvertretender Lagerleiter in Treblinka; er leitete das Lager von August 1943 bis zu der Auflösung im November 1943, nachdem er im Juni 1943 zum SS-Untersturmführer befördert wurde. Unter seiner Leitung wurde dafür gesorgt, dass der Bahnhof, an dem die Häftlinge ankamen, zu einem ganz alltäglich aussehenden Bahnhof umgebaut wurde. Diese Umbauarbeiten sollten den Ankommenden den Eindruck einer Durchgangsstation ermöglichen – es wurden sogar Fahrpläne mit Abfahrtszeiten für Züge in die nächsten größeren Städte aufgehängt.
In dem Vernichtungslager Treblinka war Kurt Franz auf Grund sines gepflegten Erscheinungsbildes und seiner großen Statur unter den Häftlingen als „Lalka“ („Puppe“) bekannt. Er setze seinen Willen gegenüber den Häftlingen unter anderem mit Hilfe seines Hundes Barry durch. Kurt Franz hetzte seinen Hund auf die Inhaftierten, wenn diese seinen Anweisungen nicht direkt Folge leisteten – manchmal tat er das jedoch auch nur aus Spaß. In den meisten Fällen wurden die durch den Hund schwer verwundeten Opfer danach erschossen. Nach der Auflösung des Lagers Treblinka im November 1943 wurde Kurt Franz nach Italien versetzt und der sogenannten „Einheit R“ zugeteilt, deren Aufgabe es war, die italienischen Juden zu erfassen und in Konzentrationslager zu bringen - er ließ hier größtenteils Menschen nach Auschwitz deportieren.
Bereits im Juni 1945 meldete er sich mit seinem richtigen Namen in Düsseldorf als arbeitslos, nachdem er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft geflüchtet war. In der Zeit danach arbeitete er als Brückenbauer, seit April 1949 als Koch in Düsseldorf. Nachdem Kurt Franz in der Zeit seit 1945 immer wieder durch Zeugenaussagen stark belastet wurde, konnte er am 2.12.1959 auf der Augustastraße 25 in Düsseldorf verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht werden. Während der Wohnungsdurchsuchung fand man ein Fotoalbum mit der Aufschrift „schöne Zeiten“ - es enthält Bilder aus seiner Zeit in Treblinka und wird heute im Landesarchiv NRW aufbewahrt.
Seit dem 12.10.1964 wurde Kurt Franz zusammen mit neun anderen Angeklagten der Prozess in Düsseldorf gemacht. Sein Pflichtverteidiger war Dr. Kurt Tittel – er stammte aus Ratingen und bereitete die Verteidigung gute fünf Jahre vor. Die Anklageschrift umfasste 243 Seiten, mehr als 100 Zeugen, teilweise aus den Vereinigten Staaten oder Israel angereist, wurden angehört. Anfang des Jahres 1965 wurde Kurt Franz dann wegen gemeinschaftlichen Mordes an mindestens 300.000 Personen, wegen Mordes in 35 Fällen an mindestens 139 Personen und wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die in der Urteilsbegründung aufgeführten 300.000 von Franz getöteten Personen starben in den Gaskammern von Treblinka, die anderen 139 Personen tötete er vermutlich selbst. In dem 1998 erstmals ausgestrahlten Film „Der Judenmord – Deutsche und Österreicher berichten“ von Michel Alexandre, ist ein Interview mit Kurt Franz zu sehen. In diesem Interview erklärt er anhand eines rekonstruierten Lagerplans von Treblinka, wo sich dort was befand und dass er von all den Gräueltaten selbst nur gehört, jedoch nichts gesehen habe.
Am 2.8.1943 fand in Treblinka ein organisierter Aufstand statt, bei dem rund 400 Häftlinge fliehen konnten. Einige wurden kurze Zeit später wieder ergriffen und ermordet, andere konnten jedoch in den umliegenden Wäldern überleben. Nur auf Grund dieses teilweise erfolgreichen Aufstandes war es in dem Treblinka-Prozess möglich, Zeugen zu laden, die mit angesehen hatten, was in dem Lager passiert war. Dank dieser Zeugenaussagen konnte Kurt Franz in mehreren Fällen die Tötung kleiner Kinder beziehungsweise Säuglinge nachgewiesen werden. Nach der Verkündung des Urteils legte Kurt Franz Revision ein, sie wurde jedoch abgelehnt und die lebenslange Haftstrafe blieb bestehen. Zudem wurden ihm nach der Urteilsverkündung im Jahr 1965 die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Infolge einer Gesetzesänderung wurde diese Aberkennung auf einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt. Seit Ende der 1970er Jahre war er ein sogenannter Freigänger, ihm war es also erlaubt, seine mittlerweile in Ratingen wohnende Frau zu besuchen.
Kurt Franz wurde im Jahr 1993 entlassen, als Gründe wurden sein hohes Alter, seine angeschlagene Gesundheit und seine lange Haftverbüßung genannt. 1998 starb er dann in einem Wuppertaler Altenheim.
Autorin: Merle Weidtmann