Jeanette
Höhn
(geb. Berg)
aus Haan
08.07.1868
Köln
–
24.04.1943
Terezín
Jeanette Höhn führte in der Kleinstadt Haan ein Geschäft für Wollwaren, direkt im Herzen der Stadt am Alten Markt. Mit ihrem Mann Herwart und ihren vier Kindern war sie 1917 in die Stadt gezogen. Sie selber war ein „kölsches Mädel“, ihr Mann kam aus Thüringen. Jeanettes Eltern waren Juden, sie selbst jedoch gehörte der evangelisch-lutherischen Gemeinde an, genauso wie ihr Mann und ihre Kinder. Nach den nationalsozialistischen „Nürnberger Gesetzen“ galt sie trotzdem als „Volljüdin“, was entsprechend in ihrer Meldekarte vermerkt wurde. Ihr Mann versuchte sie zu überreden, zu ihrer Schwester nach Brüssel zu gehen, um sie zu schützen. Jeanette Höhn jedoch wollte in Haan bleiben. Hier waren ihre Familie und Freunde und durch ihre Arbeit hatte sie viele Bekannte in der Stadt. Die „Mischehe“ mit ihrem nichtjüdischen Mann schützte Jeanette Höhn bis zu seinem Tod im Jahr 1941. Danach jedoch wurde die Gefahr größer: Ihr Sohn reiste 1942 zweimal nach Berlin, um die Deportation seiner Mutter zu verhindern. Doch all der Einsatz war vergebens: am 24.7.1942 musste sich Jeanette Höhn am Schlachthof in Düsseldorf einfinden und wurde am nächsten Tag nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 24.04.1943 an Hungertyphus.
Literatur und Quellen:
Koll, Reinhard: Auswirkungen der „Kristallnacht“ in Haan und Gruiten. Judenverfolgung: Auswertung von Gerichtsakten und Befragungen von Zeitzeugen. Nachdruck, Haan 2006 (Beiträge zur Lokalgeschichte, Bd. 2).
Koll, Reinhard: Haan unter dem Hakenkreuz 1934-1944, Haan 2006 (= Beiträge zur Lokalgeschichte, Bd. 1).
Markley, Birgit [Stadtarchiv Haan]: Ein Stolperstein für Jeanette Höhn. Vom 14. Februar 2007. Online abrufbar unter: http://www.zeitspurensuche.de/02/haange2.htm; zuletzt abgerufen am 15.03.2016.
Brief von Eugen X. an Gerd X. vom 25. Juli 1942: Privatarchiv Ruth Neeb-Doull.
Auskünfte des Enkels Michael Höhn.
Autorin: Jasmin König
Jeanette Höhn führte in der Kleinstadt Haan ein Manufakturwaren-Geschäft, direkt im Herzen der Stadt am Alten Markt. Mit ihrem Mann Herwart und ihren vier Kindern war sie 1917 in die Stadt gezogen. Sie selber war ein „kölsches Mädel“, ihr Mann kam aus Thüringen.
Herwart arbeitete als Schirrmeister in einer Pferdefuhrwerksspedition in Wuppertal. Ihre Söhne waren als Kaufmänner und Handelsvertreter alle beruflich sehr erfolgreich. Einem ihrer Söhne, Hugo, gehörte der Manufakturwarenhandel, den ursprünglich Jeanette angemeldet hatte. Sie war auch nach der Übernahme durch Hugo immer noch im Geschäft aktiv. Er erweiterte das Geschäft überregional immer weiter, sie führte den Laden am Alten Markt. Ihr Sohn Alfred hatte im Ersten Weltkrieg im deutschen Militär gedient und war dafür mehrfach ausgezeichnet worden.
Jeanettes Eltern waren Juden, sie selber jedoch gehörte der evangelisch-lutherischen Gemeinde an, genauso wie ihr Mann und ihre Kinder. Nach den nationalsozialistischen „Nürnberger Gesetzen“ galt sie trotzdem als „Volljüdin“, was entsprechend in ihrer Meldekarte vermerkt wurde. Da ihr Geschäft ihrem Sohn Hugo gehörte, war es vom Boykott „jüdischer“ Geschäfte nicht betroffen. Ein Haaner Bürger berichtete später, er habe sie nie einen Judenstern tragen sehen, den Juden nach einer Polizeiverordnung vom September 1941 tragen mussten. Weil sie mit ihrem nichtjüdischen Ehemann in sogenannter „privilegierter Mischehe“ gelebt hatte, war sie hierzu nicht verpflichtet.
Als die Bedrohung für die jüdischen Bürger in Deutschland immer größer wurde, versuchte ihr Mann immer wieder sie zu überreden zu ihrer Schwester nach Brüssel zu gehen, um sie zu schützen. Ihm war die Gefahr, der seine Frau ausgesetzt war, sehr bewusst. Jeanette Höhn jedoch wollte in Haan bleiben. Hier waren ihre Familie und Freunde. Hier waren nicht nur ihre Kinder, sondern auch ihre Enkel, die gerne und oft in dem Obstgarten hinter ihrem Fachwerkhaus spielten. Dort hielt sie außerdem einige Hühner und Gänse, so dass die Ernährung der Familie stets gesichert war. Ihre Arbeit im Geschäft brachte sie mit vielen Bürgern in Kontakt, sie war bekannt und beliebt in Haan. Der Bericht eines Haaner Unternehmers zeigt, dass die ganze Familie stark eingebunden in das soziale Leben Haans war. Er beschreibt Jeanette als „große Wohltäterin“ und besonders hilfsbereit.
Durch ihren nichtjüdischen Ehemann war Jeanette Höhn bis zu dessen Tod im Jahr 1941 vor den Verfolgungen einigermaßen geschützt. Danach jedoch wurde die Gefahr größer: Ihr Sohn Otto reiste 1942 zweimal nach Berlin, um die drohende Deportation seiner Mutter zu verhindern. Angeblich setzten sich sogar der Bürgermeister der Stadt Haan und der Ortsgruppenleiter gegen die Deportation von Jeanette Höhn ein. Doch all der Einsatz war vergebens: am 24.7.1942 musste sich Jeanette Höhn am Schlachthof in Düsseldorf einfinden. Zu diesem Zeitpunkt war sie 74 Jahre alt. Ein Bekannter traf sie kurz vor ihrer Abfahrt aus Haan. In seinem Brief zitiert er sie mit den Worten: „Es ist Gottes Führung. Er hat mir bisher die Kraft gegeben, und Ihm vertraue ich, daß Er mir auch weiter die Kraft schenken wird, die ich nötig habe bis zu meinem Ziel.“ Ihr Sohn Hugo brachte sie zum Schlachthof und musste sich hier von seiner Mutter verabschieden. Am nächsten Tag wurde Jeanette mit dem Transport VII/2 vom Güterbahnhof Derendorf nach Theresienstadt deportiert.
Dass Jeanette Höhn deportiert wurde, war in Haan anscheinend weitgehend bekannt. Am Tag darauf schrieb ein Mitbürger in einem Brief an seinen Sohn, dass man niemandem begegne „der nicht sehr bald das Gespräch auf diesen Fall bringt“. Auch schrieb er: „wie beschämt mich doch diese Frau, die doch sicher auch weiß, daß sie sehr wahrscheinlich einem gewaltsamen Tode entgegengeht.“ Der Brief belegt eindrücklich, dass die Bedeutung einer Deportation der Bevölkerung bewusst und ihr klar war, dass es sich dabei nicht nur um eine „Umsiedlung“ handelte.
Ihre Söhne gaben die Hoffnung nicht auf, ihre Mutter wiederzusehen. Als einer ihrer Söhne in die Nähe des Ghettos Theresienstadt gelangte, bestach er einen Wärter. Er sollte seiner Mutter Lebensmittelpakete bringen. Nach der Befreiung fuhr ihr Sohn Otto mit einem Rot-Kreuz-Wagen nach Theresienstadt, um seine Mutter so schnell wie möglich wieder nach Hause zu bringen. Erst vor Ort erfuhr er, dass seine Mutter dort am 24.4.1943 an Hungertyphus verstorben war.
Autorin: Jasmin König