18.07.1900
Düsseldorf
–
16.02.1943
Auschwitz
Hugo Heinemann betrieb eine Darmimportfirma in der Rather Straße 52 – in unmittelbarer Nähe des Schlachthofs. Er war mit Gustl Loeb verheiratet, sie hatten zwei Töchter: Lieselotte (Lotte) und Ursel. Die Verdrängungspolitik der nazistischen Schlachthofdirektion beeinträchtigte sein Geschäft, doch kam er zunächst noch gut über die Runden, da er über weit reichende Handelskontakte verfügte. Der Schlachthof-Trichinenbeschauer, SS-Führer Otto Schilling, und andere, darunter ein eigener Mitarbeiter, denunzierten Heinemann im Februar 1937 bei der Gestapo. Er wurde beschuldigt, minderwertige Waren verkauft und größere „Devisenschiebereien“ geplant zu haben. Tatsächlich bestand Heinemanns „Vergehen“ darin, dass er sein Eigentum dem Zugriff der Nazis entziehen wollte, um sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Hugo Heinemann wurde verhaftet und wegen Devisenvergehen zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Januar 1943 wurde er, kurz vor Ablauf der Haftstrafe, aus dem Zuchthaus Lüttringhausen in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Seine Frau und seine zwei Töchter überlebten den Holocaust im besetzten Belgien.
Literatur und Quellen:
Landesarchiv NRW R, RW 58/23041 (Gestapoakte Hugo Heinemann)
Landesarchiv NRW R, NW 1002, AD 71353 (Entnazifizierungsakte Otto Schilling)
Stadtarchiv Düsseldorf, Wiedergutmachungsakten Hugo, Joseph, Frederick, Auguste Heinemann; Lieselotte Wertheim, Ursel Rauff
Liste von in Auschwitz ermordeten Juden, Auschwitz Death Registers, The State Museum Auschwitz-Birkenau, Seite 8093/1943.
Gedenkblätter von Hugo und Frederick Heinemann: http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=5413364&language=de http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=754180&language=de Geni.com: http://www.geni.com/people/Fritz-Heinemann/6000000017995278420
Text: Joachim Schröder
Hugo Heinemann betrieb die Darmimportfirma „Joseph Heinemann KG“ in der Rather Straße 52, in unmittelbarer Nähe des Schlachthofs. Er war mit Gustl Loeb verheiratet und hatte zwei Töchter, Ursel und Lieselotte (Lotte); die Familie wohnte im bürgerlichen Zooviertel in der Grunerstraße 90. Die Verdrängungspolitik der nazistischen Schlachthofdirektion beeinträchtigte seine Firma, in der er mehrere Angestellte beschäftigte. Doch er konnte sich bis 1937 noch gut halten, da er über weit reichende Handelskontakte verfügte – auch wegen seiner beiden älteren Brüder: Fritz betrieb einen Ableger der Firma in Den Haag in den Niederlanden, Walter in Hamburg. Zur Firma, die 1899 von Hugos Vater, Joseph Heinemann gegründet worden war, gehörte auch eine Margarine-Fabrik in Neuss.
Im Februar 1937 leitete eine Denunziation des Schlachthof-Trichinenbeschauers Otto Schilling die für Hugo Heinemann verhängnisvolle Entwicklung ein. Schilling war ein korrupter, hochrangiger SS-Führer, der sich auch später bei den Deportationen persönlich am Hab und Gut der Deportierten bereicherte. Ein Mitarbeiter der Firma Heinemanns, Ernst Groth, hatte die Denunziation vorbereitet und die Schlachthof-Mitarbeiter Wilhelm Niethen (auch er ein Nazi) und Otto Schilling informiert, die dann die Gestapo einschalteten. Heinemann wurde beschuldigt, angeblich minderwertige Waren verkauft und größere „Devisenschiebereien“ geplant zu haben.
Tatsächlich bestand Heinemanns „Vergehen“ darin, dass er sein Eigentum dem Zugriff der Nazis entziehen wollte, um sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Sein mitbeschuldigter Bruder Walter konnte noch in die Niederlande fliehen. Hugo Heinemann wurde am 8. März 1937 verhaftet, die Ermittlungen der Gestapo zogen sich über zwei Jahre hin. Die Oberfinanzdirektion Düsseldorf beschlagnahmte die Firma sowie das gesamte persönliche Vermögen und Eigentum ihrer Gesellschafter. Die „Joseph Heinemann KG“ wurde unter die Aufsicht der Düsseldorfer Treuhandgesellschaft Altenburg & Tewes gestellt, die die „Arisierung“ vorbereitete (und für ihre Dienste 144.985 RM Honorar berechnete – den Betrag zog sie vom Verkaufserlös ab, bevor sie diesen der Oberfinanzdirektion überwies).
Am 2. August 1939 wurde Heinemann vom Düsseldorfer Landgericht wegen Devisenvergehen zu sechs Jahren Zuchthaus und zur Zahlung einer Geldstrafe von 1.150.000 RM (!) verurteilt. Der Denunziant aus der Firma, Ernst Groth, versuchte im Zuge der Liquidation mit allen Mitteln, wie Fritz Heinemann später schrieb, einen Anteil zu erlangen – mutmaßlich mit Erfolg. Der zuvor mittellose Mitarbeiter war nach 1945 Inhaber der Firma Witzgenstein & Varsen in Duisburg-Meiderich und dort sogar führend im Darmhandel tätig.
Bis Dezember 1940 saß Hugo Heinemann zuerst in Untersuchungs-, dann in Zuchthaushaft in der „Ulmer Höh“, dem Düsseldorfer Gefängnis. Danach war er im Zuchthaus Lüttringhausen inhaftiert. Im Herbst 1942 vereinbarten der Justizminister Otto Thierrack und der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, alle jüdischen Häftlinge aus Gefängnissen und Zuchthäusern zu entfernen und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz einzuweisen. Am 18. Januar 1943 wurden Hugo Heinemann und andere jüdische Häftlinge des Zuchthauses Lüttringhausen deportiert. In Auschwitz wurde er am 16. Februar 1943 ermordet.
Seine Frau Gustl und die beiden Töchter hatten noch am 9./10. November 1938 erleben müssen, wie SA-Leute ihre Wohnung, Teile des Mobiliars und verschiedene Kunstgegenstände zerstörten. Gustl Heinemann musste anschließend noch 40.000 RM „Judenvermögensabgabe“ zahlen. Im Juni 1939 konnten sie, nachdem ihnen weitere 23.000 RM „Reichsfluchtsteuer“ vom Finanzamt abgenommen worden waren, gemeinsam mit Gustls Mutter nach Belgien emigrieren, zuerst nach Antwerpen, dann nach Brüssel. Als die Deutschen Belgien besetzten und 1942 begannen, die jüdische Bevölkerung nach Auschwitz zu deportieren, konnten sie im Mai 1942 untertauchen und in der Illegalität überleben. Sie verbrachten zwei Jahre und vier Monate zu viert in einer kleinen Kammer, in ständiger Angst vor einer Denunziation und Verhaftung durch Polizei oder Gestapo. Gustl und Lieselotte blieben nach ihrer Befreiung im September 1944 in Brüssel, Ursula wanderte mit ihrem Mann nach Israel aus.
Hugos Mutter war schon 1933 gestorben, sein Vater, Joseph Heinemann, war 1938 in die Niederlande geflohen. Er wurde im Februar 1942 im KZ Westerbork interniert, von dort am 18. Januar 1944 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Er überlebte, emigrierte und lebte bis zu seinem Tod in Northwood in Großbritannien – dort lebte Hugos ältester Bruder, Fritz Heinemann. Er hatte sich mit seiner Frau Gertrud (geb. Stern) aus den Niederlanden rechtzeitig vor den Deutschen retten können. Walter Heinemann hingegen hatte sich zwar 1937 in die Niederlande in Sicherheit bringen können. Doch nach dem deutschen Überfall 1940 schaffte er es nicht rechtzeitig, ins sichere Ausland zu emigrieren. Er wurde nach Auschwitz deportiert und ermordet.
In den 1950er Jahren bemühten sich die Überlebenden der Familie um „Wiedergutmachung“ und Entschädigung für die Jahre der Verfolgung, den Raub ihrer Firma und ihres gesamten Eigentums. Das Urteil des Düsseldorfer Gerichts von 1939 gegen Hugo Heinemann und seinen Bruder Fritz wurde aufgehoben, sie wurden vollständig rehabilitiert. Die verschiedenen, komplizierten Verfahren zogen sich trotzdem in die Länge (bis 1962) und wie üblich lag die Beweislast allein bei den „Antragstellern“, also den Verfolgten. Die Summe, die die Familienangehörigen schließlich erhielten, glich bei weitem nicht die tatsächlichen Vermögens- und Eigentumsverluste aus, schon weil – wie üblich – ein sehr ungünstiger Kurs (RM – DM / 5:1) zum Maßstab genommen wurde. Für einen Monat Haft in einem Konzentrationslager bzw. Leben im Untergrund erhielten Verfolgte damals 150 DM.
Text: Joachim Schröder
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