Ernst
Krombach
aus Essen
17.09.1921
Essen
–
1942
Izbica
Ernst Krombach und sein Bruder Heinz erlebten eine unbeschwerte Kindheit in einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus in Essen. Ernst besuchte die jüdische Volksschule und später die Goetheschule, die er aber noch vor dem Abitur verlassen musste. Er arbeitete zunächst in einem chemischen Labor in Berlin, danach schrieb er sich an der Israelitischen Gartenbauschule in Hannover ein. 1941 kehrte er nach Essen zurück und wurde zur Zwangsarbeit in Velbert verpflichtet. In Essen traf Ernst Marianne Strauß wieder, die er aus einer Jugendgruppe kannte, und sie verliebten sich sofort – sie verlobten sich und schmiedeten Zukunftspläne. Doch diese zerplatzten, als Ernst und seine Eltern im April 1942 in das Ghetto Izbica deportiert wurden (sein Bruder Heinz war rechtzeitig emigriert). Er verhinderte noch, dass Marianne ihn freiwillig dorthin begleitete. Mit Hilfe eines Kuriers konnte er Briefe aus dem Ghetto zu schmuggeln, in denen er die katastrophalen Zustände dort unverblümt schilderte. Ernst erblindete, wahrscheinlich durch einen Arbeitsunfall – weder seine Eltern noch er überlebten das Ghetto, aus dem die letzten Insassen im April 1943 in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und ermordet wurden. Marianne Strauß konnte sich ihrer Deportation durch Flucht entziehen – sie überlebte im Untergrund.
Literatur und Quellen:
Alte Synagoge Essen, Dokumente zu den Familien Krombach und Strauß
Roseman, Mark: In einem unbewachten Augenblick. Eine Frau überlebt im Untergrund, Berlin 2002
Schröter, Hermann: Geschichte und Schicksal der Essener Juden. Gedenkbuch für die jüdischen Mitbürger der Stadt Essen, Essen 1980
Stille Helden aus Essen. Widerstehen in der Zeit der Verfolgung 1933-1945, Essen 2014
Autorin: Hannelore Steinert
Ernst Krombach wurde in Essen als Sohn der Eheleute Dr. David und Minna Krombach geboren. Er und sein älterer Bruder Heinz erlebten eine unbeschwerte Kindheit in einem wohlhabenden Elternhaus. Die Familie fühlte sich vollkommen deutsch, war gesellschaftlich anerkannt und hatte jüdische und nichtjüdische Freunde. Der Vater engagierte sich sehr in der jüdischen Gemeinde Essen und in jüdischen Verbänden.
Ernst besuchte die jüdische Volksschule in Essen und später die Goetheschule, da seine Eltern für die Söhne eine humanistische Bildung bevorzugten. Sein älterer Bruder Heinz (Enrique) berichtete, dass Ernst 1936 oder 1937 die Goetheschule in Essen noch vor dem Abitur verlassen musste. Beide Jungen waren schon zuvor in ihren Klassen in die letzte Bank verbannt worden.
Ernst ging nach Berlin und arbeitete in einem chemischen Labor. Nach der Pogromnacht 1938 musste er jedoch das Labor verlassen und schrieb sich an der Israelitischen Gartenbauschule in Hannover-Ahlem ein. Dort arbeitete er als Turnlehrer für die Volksschule und erlernte gleichzeitig den Beruf des Imkers. An seinen Bruder Heinz schrieb er: „…Ich habe den Bestand der Bienen vergrößert, Honig geschleudert und vorher schon richtig eingewintert. Es klappt damit sehr gut und macht mir viel Spaß.“ Die Gartenbauschule war eine der wenigen jüdischen Ausbildungsstätten, die bis 1942 geöffnet blieben. Ernst kehrte 1941 nach Essen zurück und wurde zur Zwangsarbeit in Velbert verpflichtet.
In den dreißiger Jahren war Ernst Krombach des Öfteren in Jüdischen Jugendgruppen in Essen, hier traf er auch Marianne Strauß, seine spätere große Liebe. Als sie sich 1941 in Essen wieder trafen - Krombachs wohnten inzwischen in der Hufelandstraße und waren Nachbarn der Familie Strauß – war es „Liebe auf den ersten Blick“.
Von seinem Bruder Heinz wurde Ernst als ruhig und häuslich beschrieben. Vielleicht war das auch einer der Gründe dafür, dass er eine angebotene Emigration nach Argentinien ablehnte. Heinz (Enrique) berichtete, dass Ernst in kein „Spanisch sprechendes Land“, sondern möglichst mit den Eltern in die USA auswandern wolle. Der eher introvertierte Ernst und der lebhafte Heinz hatten keine enge geschwisterliche Beziehung. In einem Brief aus dem Jahr 1941 schrieb Ernst seinem Bruder, der damals schon in Argentinien war, „dass er ihn nicht verstehen würde.“ Wie Enrique erzählte, dass man „in Argentinien keine Vorstellung davon hatte, wie das Leben in Deutschland war“.
Ernst Krombach wollte eigentlich Kinderarzt werden, das Studium war ihm jedoch als Juden verwehrt. Als die Jüdische Kultusgemeinde in Essen Betreuer und Betreuerinnen für Kinder und Jugendliche suchte, meldete er sich sofort, ebenso Marianne Strauß, mit der er sich heimlich verlobt hatte. Sie schmiedeten Zukunftspläne, Marianne wollte arbeiten – sie war ausgebildete Kindergärtnerin – Ernst sollte studieren. Das waren die Träume des jungen Paares.
Ernst Krombach erlebte, wie nach und nach Bekannte und Freunde aus Essen verschwanden: Sie wurden Ende 1941 nach Lodz, Minsk, Riga deportiert. Seine Eltern und er mussten in ein „Judenhaus“ umziehen und unter beengten Verhältnissen leben. Im April 1942 wurde auch Ernst Krombach mit seinen Eltern deportiert, nach Izbica, einer kleinen Stadt in Polen. Unter deutscher Besatzung wurde hier ein „Durchgangsgetto“ eingerichtet. Tausende Juden aus Polen und dem Deutschen Reich wurden hierher deportiert, bevor man sie weiter in die Vernichtungslager transportierte und ermordete.
Mit seiner Verlobten Marianne Strauß führte er einen regen Briefwechsel. Vom Schlachthof in Düsseldorf, wo die zur Deportation bestimmten Menschen die letzte Nacht vor dem Abtransport verbringen mussten, schrieb er einen Brief an Marianne. Eine weitere Karte verfasste er nach der Abfahrt des Zuges.
Durch einen „Kurier“, den Mariannes Eltern in Essen kennen gelernt hatten, gelang es, Briefe und Pakete nach Izbica zu schmuggeln. Anfang August 1942 schickte Marianne durch ihren „Kurier“ einen Koffer mit Kleidung und Lebensmitteln sowie einem Brief mit angeheftetem „Fragebogen“ nach Izbica. Ernst sollte alle Fragen wahrheitsgemäß beantworten und mitteilen, ob dort ein gemeinsames Leben mit Marianne möglich sei. Die Briefe an seine Verlobte waren niederschmetternd: Sachlich schilderte er die Arbeits- und Wohnverhältnisse, den Schmutz, die brutale Behandlung durch die SS. Ein gemeinsames Leben hier war auf keinen Fall möglich.
Ernst Krombach erblindete, wahrscheinlich durch einen Arbeitsunfall im Steinbruch oder an einer anderen Arbeitsstelle in Izbica. Im April 1943 wurden die letzten Juden aus Izbica in das Vernichtungslager Sobibór deportiert. Vermutlich wurden er und seine Mutter ebenfalls nach Sobibór deportiert und ermordet.
Marianne Ellenbogen (geb. Strauß) überlebte die nationalsozialistische Herrschaft im Untergrund. Sie hatte Ernst Krombachs Briefe aufbewahrt. Der englische Journalist Mark Roseman interviewte Marianne Ellenbogen, und aus den Briefen und Mariannes Tagebuch und Gesprächen mit Ernsts älterem Bruder Enrique entstand ein eindrucksvolles Buch: „In einem unbewachten Augenblick. Eine Frau überlebt im Untergrund“.
Autorin: Hannelore Steinert