20.01.1921
Berlin
–
14.04.1994
München
Bernt Engelmann war im Sinne der NS-Rassenideologie „Halbjude“. Er wurde deswegen 1941 aus dem Wehrdienst entlassen. Er gehörte einer kleinen, aber weit verzweigten Widerstandsgruppe in Düsseldorf an, die Juden vor der drohenden Verhaftung durch die Gestapo schützte und ihnen falsche Papiere verschaffte. Im März 1944 wurde er wegen „Judenbegünstigung“ verhaftet und war bis Kriegsende in den KZ Flossenbürg und Dachau inhaftiert. Nach dem Krieg wurde der engagierte Gewerkschafter Engelmann ein bekannter Journalist und populärer Schriftsteller (1977-1983 Präsident des Schriftstellerverbandes). In zahlreichen Artikeln und Büchern prangerte er den andauernden Einfluss alter Nazis sowie die NS-Vergangenheit bundesrepublikanischer Eliten an – er war 1959 auch an der Aufdeckung des SS-Netzwerks in der nordrheinwestfälischen Kriminalpolizei beteiligt. Wegen seiner beharrlichen publizistischen Angriffe, und weil er in seinen Sachbüchern auch auf Dokumente aus der DDR zurückgriff, war er gerade auf konservativer Seite sehr umstritten.
Text: Joachim Schröder
Literatur und Quellen
Engelmann, Bernt: Im Gleichschritt marsch. Wie wir die Nazizeit erlebten, 1933-1939 Köln 1982
Engelmann, Bernt: Bis alles in Scherben fällt. Wie wir die Nazizeit erlebten, 1939-1945, Köln 1983
Munzinger. Internationales Biographisches Archiv, 1994, Nr. 27 (27.6.1994) (https://www.munzinger.de/search/portrait/Bernt+Engelmann/0/12759.html) LAV NRW R, Ger. Rep. 372/83, Bl. 132 f.
Fluchthelfer, NS-Verfolgter, Schriftsteller: Bernt Engelmann wuchs in einer bürgerlichen Familie in Berlin auf – er war ein Urenkel des bekannten Verlegers Leopold Ullstein. 1932 zog er mit seiner Familie 1932 nach Düsseldorf, wo er 1938 Abitur machte. Er leistete seinen Wehrdienst und wurde dann Luftwaffensoldat; 1943 wurde er entlassen, weil er aufgrund seines jüdischen Vaters als „Mischling 1. Grades“ und damit als unzuverlässig galt. Er begann in Köln zu studieren und arbeitete nebenbei als Übersetzer und Redakteur. Zudem schloss er sich bald einer kleinen, aber weit verzweigten Widerstandsgruppe an, die Juden vor der drohenden Verhaftung durch die Gestapo schützte, indem sie ihnen falsche Papiere verschaffte oder ihnen die Flucht ins Ausland ermöglichte. So verhalf er Rudolf Braunschweig zur Flucht, der nach 1945 zu den Wiederbegründern der Düsseldorfer jüdischen Gemeinde gehörte.
Am 2. März 1944 wurde Engelmann wegen „Judenbegünstigung“ von der Düsseldorfer Gestapo verhaftet. Sie konnte ihm nichts nachweisen, nahm in aber dennoch in „Schutzhaft“ und wies ihn in das KZ Flossenbürg ein, im Oktober 1944 kam er in das KZ Hersbruck. Im April 1945 wurde Engelmann nach Dachau verlegt, wo ihn die US-Amerikanern befreiten. Nach dem Krieg kehrte er nach Düsseldorf zurück. Er setzte zunächst sein Studium in Köln fort. Daneben arbeitete er als Journalist. Seit 1947 war er Redakteur beim Spiegel, später auch beim NDR für das politische Magazin „Panorama“. Ab 1964 lebte Engelmann als erfolgreicher und populärer Schriftsteller und Sachbuchautor in Rottach-Egern – die Gesamtauflage seiner Bücher erreichte über 15 Millionen Exemplare. Engelmann war gewerkschaftlich stark engagiert, von 1977 bis 1984 war er Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller in der IG Druck und Papier. Daneben war er von 1972 bis 1984 Präsidiumsmitglied des deutschen PEN-Zentrums (Schriftstellervereinigung).
Die gesamte publizistische Tätigkeit Engelmanns widmete sich der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und den Versuchen alter NS-Seilschaften und Eliten, ihren Einfluss in der jungen Bundesrepublik auszuüben. Er schrieb „Antigeschichtsbücher“ aus der Perspektive der Unterprivilegierten und deckte in seinen immer wieder neu aufgelegten „Schwarzbüchern“ die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft auf – besondere Zielscheibe waren Franz Josef Strauß oder der damalige Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Engelmann benutzte bei seinen beharrlichen publizistischen Angriffen auch Archiv-Material, das ihm der DDR-Geheimdienst zugespielt hatte, der ihn auch als „Inoffiziellen Mitarbeiter“ führte – hieraus folgende Vorwürfe seiner politischen Gegner hat Engelmann stets abgewehrt und er bestritt vehement, jemals für die „Staatssicherheit“ gearbeitet zu haben. Engelmann war auch politisch umstritten, weil ihm vorgeworfen wurde, sich in seiner Zeit als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes zu wenig für Meinungsfreiheit für die Kollege/innen in der DDR eingesetzt zu haben.
In der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass Engelmanns stetige Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und sein andauernder Kampf gegen den Einfluss solcher Eliten, die selbst eine NS-Vergangenheit hatten oder während der NS-Herrschaft zu Reichtum gekommen waren, eng mit seinem persönlichen Schicksal verknüpft war. Engelmann hatte seit Ende der 1940er Jahre die „Restauration“ während der Adenauer-Ära hautnah miterlebt und gesehen, wie ehemalige Nazis wieder zu Macht und Einfluss gelangten. Hiergegen hat er sich mit seinen Mitteln von Anfang an gestemmt: 1947 hatte er selbst im dem Ermittlungsverfahren gegen die beiden Gestapobeamten Pütz und Waldbillig ausgesagt, die ihn seinerzeit verhaftet, misshandelt und ins KZ gebracht hatten. Die personellen Kontinuitäten gerade in der Polizei beschäftigten ihn lange: Ende der 1950er Jahre war Engelmann an der Aufdeckung eines größeren SS-Netzwerks in der nordrhein-westfälischen Kriminalpolizei beteiligt. Seine spätere publizistische Arbeit war eine logische Konsequenz aus dieser Beschäftigung.
Text: Joachim Schröder
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